Von einem auf den anderen Tag der Enkel von Heinrich Himmler
Durch Zufall fand Henrik Lenkeit im August 2024 im Internet heraus, wer in Wirklichkeit sein Großvater war
Dietmar Förster
Benalmádena
Sonntag, 7. Dezember 2025
Seit sieben Jahren führt Henrik Lenkeit mit seiner Familie ein ruhiges Leben in Benalmádena. Zusammen mit seiner mexikanischen Frau arbeitet er als Paartherapeut und leitet als Pastor eine christliche Gemeinde in Arroyo de la Miel. Nachdem die beiden mit ihren drei Kindern zuvor mehrere Jahre in Puebla, einer Millionenstadt im Zentrum Mexikos lebten, ist der Ort an der Costa del Sol zur neuen Heimat geworden.
Doch am 20. August des vergangenen Jahres sollte sich das Leben des damals 47-Jährigen, der in Uetersen in Schleswig-Holstein aufgewachsen ist, von einem Tag auf den anderen ändern. Nach Frühmesse, Arbeit und Mittagessen versuchte er sich an dem heißen Nachmittag abzulenken und entdeckte bei Spiegel Online eine Video-Dokumentation über SS-Chef Heinrich Himmler. Weil er mehr über einen der Hauptverantwortlichen des Holocaust herausfinden wollte, googelte er im Internet und sah plötzlich ein Foto seiner Großmutter, «Ich traute meinen Augen nicht und wurde ganz unruhig», sagt der gelernte Erzieher. Unter dem Bild stand der Name Hedwig Potthast, die erst Himmlers Sekretärin war, dann seine Geliebte und mit der Nazi-Größe eine Tochter und einen Sohn namens Helge bekam.
«Es hat mich innerlich zerrissen»
Dass der Vorname seiner Großmutter mit dem der Himmler-Geliebten übereinstimmte, die Oma aus Baden-Baden aber einen anderen Nachnamen hatte, ließ Henrik Lenkeit zunächst zweifeln, aber je mehr er forschte, desto mehr bekam er Gewissheit, der Enkel eines Massenmörders zu sein. «Das hat mich innerlich zerrissen, ich habe meine bisherige Identität verloren und eine Zeit lang war ich für meine Familie unausstehlich», erinnert sich Lenkeit, der sich etwas mehr als ein Jahr nach der Enthüllung des düsteren Familiengeheimnisses entschloss, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, um das Erlebte zu verarbeiten.
Katrin Himmler, die Großnichte von Heinrich Himmler, die viel über die Familienbande geforscht und Bücher darüber geschrieben hat, half Henrik Lenkeit durch Einsicht in Dokumente und Geburtsurkunden, definitiv Klarheit zu bekommen. Doch er selbst möchte auch noch mehr erfahren und in offiziellen Archiven nach den Spuren seiner Vorfahren suchen.
Dass man ihm nie die Wahrheit gesagt hat – weder seine Großmutter noch seine Mutter – kann sich Henrik Lenkeit nur damit erklären, dass man ihn schützen und mit dem Namen Himmler nicht belasten wollte. «Ich hätte mir schon gewünscht, dass man mich aufgeklärt hätte». In einem Buch möchte er die Aufarbeitung seiner Geschichte detailliert schildern und bald auch an Schulen und anderen Einrichtungen darüber sprechen, was ihm widerfahren ist. «Ich möchte aufzeigen, dass ich als Nachfahre eines Verbrechers selbst keiner bin und die Gegenwart genießen kann», sagt Lenkeit.