Ein Leben zwischen Glamour und Beschaulichkeit
Rückblick. Der Stuttgarter Modemacher und Maler Hermann Henger feierte am 31. März seinen 90. Geburtstag
DANA NOWAK
MARBELLA.
Donnerstag, 3. April 2025
Bei einem Urlaub auf Mallorca erzielte Hermann Henger bei einem Fest den Hauptgewinn: vierzehn Tage auf Ibiza im Dezember. «Ich wusste, dass es dort im Winter sehr kalt sein kann und so fragte ich den Reiseunternehmer, ob es nicht eine andere Destination gäbe. Er schlug mir Marbella vor und ich war sofort einverstanden», erzählt er.
Als Künstler war er sofort fasziniert von dem natürlich schönen Licht, den Farben, der üppigen exotischen Vegetation und dem glamourösen Ambiente der aufstrebenden Tourismusmetropole. «Marbella hat mich mit seinem kosmopolitischen Flair sofort infiziert und ich habe mir gesagt, hier werde ich einmal meinen Lebensabend verbringen und das habe ich dann auch gemacht. Ich finde es wirklich interessant, was das Schicksal manchmal mit einem vorhat, denn einige Jahre später sollte ich in Marbella meine Frau Elke kennenlernen», erinnert er sich.
Marbellas goldene Epoche
Die aufstrebende Küstenmetropole befand sich Ende der 70er Jahre nach wie vor in ihrer goldenen Ära. Prinz Alfonso von Hohenlohe hatte im Jahr 1954 den Marbella Club gegründet und den kleinen Fischerort im Nu in ein Jetset-Paradies verwandelt, welches Millionäre, Schauspieler und Aristokraten aus aller Welt anlockte.
Der Kauf eines Apartments in der Urbanisation Alhambra del Mar direkt an Marbellas Strandpromenade bedeutete für Henger auch den Eintritt in die Gesellschaft. Er freundete sich mit Roy Boston an, der ihm die Wohnung vermittelt hatte.
«Roy Boston war eine bekannte Persönlichkeit und wurde überall eingeladen. Es gab damals viele Prominente in Marbella. Philippe Junot und Adnan Khassoghi gehörten dazu, der natürlich das größte Schiff im Hafen und ein riesiges Anwesen in La Zagaleta hatte, und Gunilla Gräfin von Bismarck war auch bei fast jeder Party dabei. Robert Redford hingegen hielt sich oft in Mijas auf, um zu malen, denn er war nicht nur ein fantastischer Schauspieler, sondern auch ein großartiger Maler.»
Die Hauptstraße zwischen dem Kupferkegel 'Pirulí' und Puerto Banús war damals nur zweispurig. Man konnte bedenkenlos rechts und links parken, um zu den Diskotheken zu gelangen. Eine der angesagtesten war Pepe Moreno mit dem bekannten DJ Dillyz, der heute im Hotel Puente Romano arbeitet.
Wildes Partyleben
«Die Wohnungen waren noch nicht so ausgestattet wie heute. Ich hatte einen Fernseher mit drei spanischen Programmen – da musste man unter die Leute gehen. Wir sind um 22 Uhr essen gegangen und danach in eine Piano-Bar und dann ging die Party weiter, zum Beispiel im Regine's im Hotel Puente Romano, das später von Olivia Valere übernommen wurde, bevor sie die Diskothek Olivia Valere eröffnen sollte, die es heute noch gibt. Es war ein wildes Leben. Die jungen Leute machen auch heute noch Party in Marbella, aber wir sind nicht mehr dabei.»
Für den am 31. März 1935 in Stuttgart geborenen Künstler war der Beginn seines Lebens nicht immer ganz einfach. Kurz nach seiner Geburt emigrierten seine Eltern nach Amerika. Sie kehrten kurz vor Ende des Krieges nach Deutschland zurück.
Der Neuanfang in Deutschland war für den in Amerika aufgewachsenen jungen Mann schwierig. Waren in Amerika Deutsche nicht wirklich willkommen, so wurde er nun in Deutschland als Ami gemobbt. Für ihn rückblickend eine Zeit, in der er sich nirgends zu Hause fühlte.
Inspiriert durch seinen Großvater, der ein bekannter Maler war, entschied er sich für eine Ausbildung an den Kunstakademien in Stuttgart und Basel. Nach dem Studium arbeitete er ein Jahr als Grafiker, doch diese Tätigkeit war nicht das, was er sich von seinem Leben vorgestellt hatte. Er wechselte kurzerhand in das elterliche Modehaus, wo er bald in Kontakt mit großen Modelabels treten sollte.
Seine nächste berufliche Etappe währte 30 Jahre. Bei dem damals bekannten finnischen Pelzhaus Grünstein war er als Designer und Agent tätig. Henger entwickelte in dieser Zeit ein neuartiges, sehr elegantes Design: die Wendepelze, also beidseitig tragbare Jacken, Mäntel und Capes, die einer seiner größten Erfolge werden sollten. Er besuchte internationale Messen und hatte in Düsseldorf seinen eigenen Showroom.
Bei seiner Ankunft in Marbella war der Modedesigner fasziniert von dem pulsierenden Küstenort, und Marbella sollte ihn auch beruflich inspirieren. «Die Damen trugen damals die allerneuesten Haute-Couture-Kleider wie in Paris, Mailand oder Rom, bevor der Look überall Trend werden sollte.»
Zurück zu den Ursprüngen
In Spanien fand Hermann Henger schließlich auch wieder zu seinen Ursprüngen zurück. Er hängte kurzerhand die Mode an den Haken und packte vor 25 Jahren wieder die Farben und Pinsel aus. «Seit meinem Ruhestand habe ich das Pelzhaar gegen die Pinselhaare ausgetauscht – so schrieb es damals ein Redakteur in der FAZ. Das Licht und die Natur an der Costa del Sol inspirieren mich und ich arbeite sehr gerne Fasern, Gräser, Palmrinde, Muscheln, Sand und dergleichen in meine Bilder ein», erklärt er.
Mittlerweile lebt das Ehepaar Henger mit ihren drei Hunden beschaulich auf einer Finca auf dem Land, fernab vom Küstentrubel und unternimmt ein- bis zweimal in der Woche Ausflüge. «Seit es die Schnellstraße gibt, sind wir in einer halben Stunde in Málaga oder Marbella. Málaga hat kulturell sehr viel zu bieten und wir gehen auch gerne in ein Chiringuito am Strand oder auch hin und wieder in ein elegantes Restaurant in Marbella oder treffen unseren Sohn Thorsten, der in Marbella ein Immobilienbüro betreibt. Wir lieben diese Abwechslung und freuen uns dann auch wieder, auf unsere Finca zuzukehren, die sich inmitten dieser herrlichen Natur befindet. Wir stellen unser eigenes Olivenöl her und genießen die Bioorangen aus unserem Orangenhain. Ich bin sehr glücklich hier.»