Neue Müllgebühr: Gemeinden der Costa del Sol fürchten hohen politischen Preis
SUR analysiert die Anwendung der staatlichen Regelung, die den Gemeinden vorschreibt, die vollen Kosten ihres Müllabfuhrdienstes auf die Endverbraucher umzulegen
Chus Heredia
Málaga
Dienstag, 2. Dezember 2025
Die neue staatliche Vorgabe, wonach Kommunen die vollen Kosten der Müllentsorgung über eine eigene Gebühr einziehen müssen, sorgt in der Provinz Málaga für erheblichen Streit. Viele Rathäuser blicken nervös auf ihre Nachbarn, warten ab – und klagen über unklare Regeln, fehlende Berechnungsgrundlagen und die Rolle als bloße «Gebührentreiber».
SUR hat die Lage in den bevölkerungsreichsten Gemeinden der Provinz analysiert. Das Stimmungsbild ist eindeutig: Die Kommunen rechnen mit mehr Widersprüchen und Klagen – und scheuen den politischen Schaden, der durch einen neuen Bescheid oder eine spürbare Erhöhung des bisherigen Entgelts entstehen könnte.
Auch juristische und technische Fragen zur korrekten Berechnung des vollen Kostenausgleichs bleiben offen. Klar ist nur: Die Gemeinden müssen die Vorgabe erfüllen. Grundlage ist eine spanische Gesetzesreform, die wiederum eine EU-Richtlinie umsetzt. Doch genau hier entzündet sich der zentrale Streitpunkt: Hat Spanien die europäische Vorgabe zu streng ausgelegt?
Málaga
In Málaga arbeitet die Stadt mit Hochdruck an einer neuen Satzung. Die Müllentsorgung ist seit über 20 Jahren in der Grundsteuer ( IBI) enthalten – nun sorgt die staatliche Gesetzeslage aus Sicht des Rathauses für «Unklarheit und ein regelrechtes Labyrinth». Man verweist auf Probleme in Madrid oder die gerichtlich gestoppte Regelung in León.
Der künftige Tarif steht noch nicht fest. Zunächst sollte der Wasserverbrauch als Berechnungsbasis dienen, nun wird auf Katasterwert und Zahl der Einwohner pro Haushalt umgestellt. Eine frühere Kalkulation ergab bis zu 224 Euro jährlich, doch maßgeblich wird erst die neue Satzung sein. Die ersten Bescheide werden 2026 verschickt.Im Oktober forderte die städtische Wirtschaftskommission die Zentralregierung auf, die Verpflichtung zur vollständigen Kostenumlage zu ändern.
Finanzdezernent Carlos Conde stellte steuerliche Entlastungen beim IBI in Aussicht, da die Gebühren künftig getrennt erhoben werden.
«Wir setzen hier eine europäische Richtlinie und ein Gesetz um, auf das wir keinen Einfluss haben. Es ist absurd, dass jede Stadt ihre eigene Lösung finden muss – aber wir sind verpflichtet, diese Maßnahmen umzusetzen», erklärte Conde.
Marbella
«Wir werden das Gesetz einhalten, aber es wird keinen Gebührenschock geben», versicherte Finanzstadtrat Félix Romero im Plenum, das die Erhöhung verabschiedete. Für Haushalte steigt die Gebühr um 20 Prozent, für Hotels und Strandrestaurants sogar um 50 Prozent. Der reale Effekt sei aber begrenzt: fünf Euro mehr pro Jahr für Wohnungen in einfacheren Lagen, etwa 25 Euro mehr für ein Stadthaus. «Wir hatten ein funktionierendes System, das vollständig über den Haushalt gedeckt war. Diese neue Gebühr ist eine staatliche Vorgabe, die wir weder brauchen noch wollen», sagte Romero.
Mijas
Mijas erhebt seit 1989 eine Müll- und Recyclinggebühr. Zwar deckt die bestehende Abgabe die Abholung vollständig, doch die höheren Kosten für modernes Recycling und neue Umweltsteuern führen zu einer Finanzierungslücke. Die Gemeinde prüft daher Modelle anderer Städte – etwa Berechnungen nach Immobilienwert oder Einwohnerzahl. Mijas kritisiert zudem fehlende Vorgaben der Zentralregierung: «Ein einheitliches, technisches und nicht politisches Kriterium hätte vieles erleichtert.»
Bezüglich möglicher Klagen hofft man in Mijas, dass eine solide Satzung und gesunder Menschenverstand helfen werden, diese zu vermeiden. «Wir stehen alle im Kampf für Recycling und Nachhaltigkeit zusammen.»
Vélez-Málaga
Die Bewohner in Vélez-Málaga zahlen die Müllgebühr seit Mitte der 1990er Jahre nicht mehr, seit sie in die Grundsteuer integriert wurde. «Es ist alles andere als angenehm für mich, eine vom Staat aufgezwungene Müllgebühr beschließen zu müssen», fasste Bürgermeister Jesús Lupiáñez zusammen.
Die Gebühr wird sowohl bei Haushalten – zwischen 101 und 135 Euro – als auch bei Unternehmen – durchschnittlich 112,30 Euro – erhoben. Die Gesamtkosten für Sammlung und Behandlung des städtischen Abfalls belaufen sich laut den Unterlagen aus der Sitzung auf 7,185 Millionen Euro pro Jahr. Davon werden 72,59 Prozent auf die knapp 48.500 Wohnungseinheiten umgelegt, der Rest auf die gut 10.200 aktiven Gewerbebetriebe. Für einkommensschwache Familien sind 126.000 Euro vorgesehen.
Fuengirola
Fuengirola erhebt die Müllgebühr bereits separat und kündigt an, nichts ändern zu müssen. Sie decke bereits die gesamten Entsorgungskosten. Die Stadt kritisiert die nationale Gesetzgebung scharf: Die EU zwinge nicht zu einem «Gebührenhammer», die spanische Umsetzung hingegen schon – ohne nachvollziehbare Kriterien.
Eine Änderung würde Klagen fördern, da viele Betroffene sich zu Recht benachteiligt fühlen würden.
Estepona
Auch Estepona hat die Gebühr schon vor Jahren getrennt erhoben. Die neue Satzung, die die staatliche Norm umsetzt, gilt seit dem 1. Januar. Die Gebühr steigt im Schnitt um 5,5 Prozent. Wer mindestens dreimal im Jahr im Wertstoffhof Abfälle abgibt, die nicht im öffentlichen Container entsorgt werden können, erhält drei Prozent Rabatt.
Die Stadt betont, dass die EU nicht zwingend eine Gebühr vorschreibt – das sei eine Entscheidung des Staates, die zu Ungleichheiten zwischen Kommunen führe.
Benalmádena
Benalmádena prüft derzeit die Vorgaben, betont aber, dass bereits eine eigene Müllgebühr existiert, die den gesamten Service finanziert. Die Höhe variiert je nach Wohnform.
Torremolinos
Torremolinos setzt die neue Regel seit dem 1. Januar um. Für Privathaushalte bleibt die Gebühr weitgehend stabil, abgesehen von reduzierten Boni, deren Voraussetzungen nun strenger sind.
Deutlich trifft es touristische Wohnungen: Sie werden künftig als «gewerbliche Nutzung» eingestuft. Kritik am Staat gibt es auch hier: «Die EU-Vorgabe ist sinnvoll, aber die spanische Regierung hätte ein nationales Modell schaffen können. Stattdessen zwingt man die Kommunen zur direkten Gebührenerhebung – ohne Werkzeuge oder Unterstützung.»
Rincón de la Victoria
Eine bestehende Gebühr gab es bereits, sie deckte aber nicht die vollen Kosten. Daher wurde sie neu kalkuliert und gilt seit 1. Januar. Berücksichtigt wurden Wohnungsgröße, Einwohnerzahl, übliche Abfallmengen, Gärten, Haustiere und weitere Faktoren. Der Anstieg liegt – bei drei Personen pro Haushalt – zwischen 1,46 und 4,86 Euro.
Für Geschäfte wurde die Menge des erzeugten Abfalls berechnet. Die Stadt kritisiert: «Die EU verlangt nicht, dass die Bürger 100 Prozent zahlen müssen. Der Staat hätte die Vorgabe selbst übernehmen können.» Der spanische Gemeindeverband FEMP hatte 2024 erfolglos eine Gesetzesänderung gefordert.
Alhaurín de la Torre
Auch Alhaurín befasste sich in der aktuellen Ratssitzung mit dem Thema; die Beschwerden sind zahlreich. «Die Regelung zwingt die Gemeinden, 100 Prozent der Kosten für Sammlung und Behandlung auf die Steuerzahler umzulegen, ohne Möglichkeit zur Subventionierung. Früher konnten die Gemeinden einen Teil der Kosten über den allgemeinen Haushalt decken», heißt es in dem Antrag. «Dies hat die Rechnungen deutlich erhöht – besonders für Selbstständige und kleine Unternehmen, die bereits unter Inflation und Energiekosten leiden. Es ist unfair, dass Kommunen zu reinen Eintreibern staatlicher Vorgaben werden, ohne Gestaltungsspielraum.»
Antequera
Antequera erhebt die Müllgebühr seit 2015 und muss sie nächstes Jahr erhöhen. Bürgermeister Manuel Barón sagte gegenüber SUR: «Bislang hat das Rathaus alles aus eigenen Mitteln bezahlt. Ich wollte es nicht auf die Bürger umlegen, bevor wir nicht Container aufstellen und Personal einstellen. Wir haben aber keine Wahl. Trotz unserer Ablehnung müssen wir das Gesetz befolgen, das fälschlicherweise mit EU-Vorgaben begründet wird. Die EU verlangt aber lediglich das Verursacherprinzip.»
Die Berechnung in Antequera wird auf Grundlage der Wasserverbrauchsregister erfolgen. Der Anstieg beträgt laut Bürgermeister 45 Euro jährlich.
Immerhin liege das große Abfallzentrum Valsequillo auf dem Gemeindegebiet, was die Transportkosten senkt.