Essen bestellen wie ein Einheimischer – die geheimen Codes in spanischen Kneipen
Kleine Gesten. Vom 'media' bis zur 'entera', vom Handzeichen für die Rechnung bis zu den Kaffeespezialitäten in Málaga. In spanischen Bars gibt es viele kleine Codes, die Einheimische im Schlaf beherrschen. Wer sie kennt, fühlt sich sofort sicherer und wird schnell selbst wie ein Local behandelt.
EMILIA HUBERT
Málaga
Samstag, 22. November 2025
Wer in Spanien eine Bar betritt, merkt schnell, hier geht es nicht nur um Essen und Trinken, sondern um ein ganz eigenes System unausgesprochener Regeln. Vieles wirkt auf den ersten Blick unkompliziert, fast beiläufig, und doch gibt es feine Unterschiede, die Einheimische intuitiv verstehen, während Zugezogene oder Touristen zunächst ins Stolpern geraten. Wer diese kleinen Codes kennt, fühlt sich nicht nur sicherer, sondern wird oft auch freundlicher bedient.
Von 'media' bis 'entera'
Ein klassisches Beispiel ist das Brot oder das Bocadillo, das belegte Baguette. Bestellt man eine 'media', serviert der Kellner eine halbe Portion. Beim Brot meist ein halbes Baguette, bei Rationen ein halber Teller. Eine 'entera' bedeutet dagegen die volle Portion. Gleiches gilt fürs Bier. In Andalusien ist eine 'caña' das kleine Glas, während 'tubo' oder 'jarra' (Krug) deutlich mehr bedeuten.
Oft wird alles, was auf den Tisch kommt, geteilt. Beim Trinkgeld sind die Spanier eher knauserig
Auch bei Tapas lohnt sich Genauigkeit. Manche Bars stellen automatisch eine kleine Beigabe zum Getränk, andere verlangen eine Bestellung. Hier unterscheidet man zwischen tapa, media ración und ración. Die Preise variieren, und viele Einheimische bestellen lieber mehrere 'medias', um eine größere Auswahl auf den Tisch zu bringen.
Beim Frühstück gibt es ebenfalls Unterschiede. In der Provinz Malaga heißt das kleine Brötchen 'pitufo', in anderen Regionen bestellt man eine 'tostada'. Meist eine Scheibe Brot, oft getoastet und mit Tomate, Olivenöl und Serrano-Schinken serviert ('catalana'). Wer eine 'media tostada' ordert, bekommt die halbe Portion. Gerade morgens ist das entscheidend, wenn man nicht mehr essen möchte als geplant.
Bestellen wie die Locals
Auch beim Bezahlen gilt es, den richtigen Ton zu treffen. Statt nach der 'factura' zu fragen, sagt man: «¡La cuenta, por favor!». Typisch ist außerdem die nonverbale Variante. Ein kleiner Schwung mit dem Finger in die Luft, als würde man unterschreiben. Dieses Handzeichen versteht jeder Kellner sofort, auch in einer lauten Bar.
Beim Bestellen selbst helfen präzise Begriffe. 'Un tinto' steht für Rotwein, 'tinto de verano' für die beliebte Mischung mit Zitronenlimonade. Wer Wasser bestellt, sollte hinzufügen, ob 'con gas' oder 'sin gas'. Bestellt man nur 'agua', bringt der Kellner fast immer eine Flasche stilles Wasser. Leitungswasser im Glas ist unüblich, es sei denn, man bittet ausdrücklich darum ('agua del grifo').
Besonders kompliziert wird es beim Kaffee. Café solo ist der einfache Espresso, Cortado derselbe mit einem Schuss Milch, Café con leche ein Milchkaffee. In Málaga jedoch unterscheidet man fein zwischen 'mitad' (halb Kaffee, halb Milch), 'sombra' (mehr Milch als Kaffee) und 'nube' (fast nur Milch mit einem Hauch Kaffee). Eine kleine Wissenschaft für sich, die sich je nach Stadt ändert. In Granada serviert man den Kaffee oft mit einem Stück Kuchen, in Madrid bestellt man morgens gerne 'Café con leche y porra', eine besonders dicke Variante der Churros.
Kleine Gesten, große Wirkung
Spanische Bars sind Orte der Begegnung. Deshalb wirkt es ungewohnt, wenn man sofort einen Tisch wählt und wartet. Viele Stammgäste bestellen direkt an der Theke, trinken dort oder setzen sich danach. Ein Nicken genügt, ständiges Winken ist unüblich.
Auch das Tempo ist anders. Kellner lassen sich Zeit und niemand erwartet, dass der Tisch sofort abgeräumt wird. Nach dem Essen bleibt man sitzen, bestellt vielleicht noch einen 'chupito' – einen kleinen Likör oder Digestif – oder einen Kaffee und führt das Gespräch fort. Wer auf einen kurzen Blickkontakt oder das Handzeichen setzt, hat die Rechnung im Nu auf dem Tisch.
Und das Trinkgeld? In Spanien ist es keine Pflicht. Viele Gäste lassen nur das Kleingeld liegen, ein bis zwei Euro gelten als freundliche Geste. Wer deutlich mehr gibt, fällt sofort als Tourist auf.
Auch beim Essen selbst ist Teilen üblich. Mehrere kleine Teller für alle wirken natürlicher als eine große Portion für eine Person. Dazu kommt, dass 'tapa', 'media ración' und 'ración' regional unterschiedlich groß sein können. Was in Sevilla als Tapa gilt, ist andernorts fast schon ein halber Teller. Selbst beim Bier lohnt sich Genauigkeit. Eine 'doble' in Madrid entspricht in Málaga fast schon einem halben Liter.
Wer die Codes kennt, versteht Spanien besser und fühlt sich schnell selbst wie ein Einheimischer. Letztlich geht es bei all dem nicht nur ums Bestellen, sondern um ein Stück spanische Lebensart. Bars sind soziale Treffpunkte, Wohnzimmer des öffentlichen Lebens. Wer die Codes beherrscht, zeigt Respekt vor dieser Kultur und wird rasch Teil davon. Denn hinter jeder 'caña' und jeder 'tapa' steckt mehr als nur Essen und Trinken. Es ist die Einladung, den Alltag gemeinsam zu teilen. Genau darin liegt der Zauber der spanischen Bar-Kultur. Sie macht Fremde zu Gästen und Gäste ein Stück weit zu Einheimischen.