Bargeld war gestern: Wie digital ist Spanien?
Bizum, Cl@ve, certificado digital. Spaniens Alltag läuft online. Aber nicht alles klappt auf Knopfdruck. Was man wissen muss, um sich im System zurechtzufinden
EMILIA HUBERT
Donnerstag, 7. August 2025
In der Bar wird per Handy bezahlt, an der Supermarktkasse piept es kontaktlos. Bargeld spielt im Alltag vieler Spanier nur noch eine Nebenrolle. Gleichzeitig laufen viele Behördengänge inzwischen ausschließlich online. Doch wer glaubt, dass alles reibungslos funktioniert, irrt. Zwischen modernen Bezahlsystemen und frustrierenden Verwaltungsportalen liegen oft nur ein Klick oder jede Menge Geduld.
Zahlen mit einem Klick – Alltag wird digital
Beim Bezahlen ist Spanien inzwischen überraschend fortschrittlich. Kartenzahlung ist fast überall Standard, kontaktlose Zahlungen mit Kreditkarte oder Smartphone gehören zum Alltag, selbst in kleinen Cafés, an Marktständen oder in Taxis. Viele nutzen Apple Pay oder Google Pay, auch bei Beträgen unter einem Euro. Bargeld wird zwar akzeptiert, spielt aber im Vergleich zu Deutschland eine zunehmend untergeordnete Rolle. Wer dauerhaft in Spanien lebt, richtet sich meist ein spanisches Konto ein.
Der Zahlungsverkehr klappt digital sehr gut, die Kommunikation mit den Behörden weist viele Schwachstellen auf
Bizum ist so etwas wie Spaniens Antwort auf PayPal. Nur schneller und einfacher. Geld wird direkt per Telefonnummer verschickt, ganz ohne IBAN. Ob Trinkgeld für den Kellner, Bezahlung des Babysitters oder das Teilen der Restaurantrechnung mit Freunden, Bizum hat sich als Standard etabliert. Sogar kleine Online-Shops oder Spendenorganisationen nutzen den Dienst. Voraussetzung ist ein spanisches Bankkonto, denn Bizum funktioniert ausschließlich über die Apps teilnehmender Banken.
Auch im Gesundheitswesen schreitet die Digitalisierung voran. Viele Autonome Regionen bieten Online-Portale oder Apps an, über die man Termine buchen, Rezepte abrufen oder die eigene Krankenakte einsehen kann. In Andalusien funktioniert das über die App 'Salud Responde'. Dort lassen sich nicht nur Hausarzttermine vereinbaren, sondern auch Laborergebnisse einsehen oder Erinnerungen für Impfungen aktivieren. Die Anmeldung erfolgt meist über Cl@ve oder mit den Zugangsdaten der Gesundheitskarte (tarjeta sanitaria).
Online zum Amt – zwischen Fortschritt und Frust
Anders sieht es im Umgang mit Behörden aus. Viele Ämter, etwa die Ausländerbehörde (Extranjería), das Rathaus oder die Sozialversicherung (Seguridad Social), setzen inzwischen zwingend auf Online-Terminvergabe. Ohne 'cita previa' geht oft gar nichts. Auf dem Papier effizient, ist das in der Praxis häufig frustrierend. Die Webseiten sind meist nur auf Spanisch verfügbar, technisch veraltet oder überlastet. Termine sind regelmäßig ausgebucht, Formulare unverständlich oder Upload-Funktionen fehleranfällig.
Viele greifen deshalb auf sogenannte Gestorías zurück. Dienstleister, die gegen Gebühr Formulare ausfüllen, Unterlagen prüfen oder Termine organisieren. Besonders für Ausländer ohne fortgeschrittene Spanischkenntnisse ist das oft der einzige Weg, bürokratische Prozesse erfolgreich zu durchlaufen.
Digitale Identität: Cl@ve, Zertifikat & Co
Ein zentrales Element für viele digitale Behördengänge ist die persönliche Authentifizierung. Meist über das System 'Cl@ve' oder ein digitales Zertifikat (certificado digital). Ohne diese Zugangsmöglichkeiten kommt man bei vielen Online-Diensten, etwa zur Steuererklärung oder für Anträge, nicht weiter.
Cl@ve existiert in zwei Varianten. Als einmaliger Zugangscode per SMS oder Push-Benachrichtigung (Cl@ve PIN) oder als dauerhaft aktiviertes Cl@ve-Konto (Cl@ve permanente). Für Letzteres ist eine vorherige Identitätsprüfung notwendig, entweder per Post oder persönlich bei einer zertifizierten Registrierungsstelle wie dem Rathaus oder der Steuerbehörde (Agencia Tributaria). Wer die Prozedur durchläuft, kann viele Behördengänge online erledigen, vom Meldebescheinigungsantrag bis zum Rentenbescheid.
Alternativ lässt sich ein certificado digital auf dem eigenen Computer installieren. Auch dafür ist eine persönliche Identifizierung notwendig. Ausländer mit NIE können das Zertifikat etwa über die staatliche Münzanstalt FNMT beantragen. Einmal eingerichtet, ermöglicht es den Zugang zu Portalen der Finanzverwaltung, Sozialversicherung oder Gesundheitsdienste.
Trotz aller Fortschritte bleibt Spanien ein Land digitaler Gegensätze. Während Metropolen wie Madrid, Barcelona oder Málaga gut vorankommen, hinken viele ländliche Regionen hinterher. Papierformulare sind vielerorts noch im Einsatz und nicht alle Behörden akzeptieren digitale Unterlagen. Hinzu kommt die Sprachbarriere. Nur wenige Portale bieten englische oder gar deutsche Versionen. Eine alltägliche Hürde für viele ausländische Bewohner.
Ein weiteres Problem ist die technische Kompatibilität. Viele Behördenportale funktionieren nur mit bestimmten Browsern oder Betriebssystemen. Wer versucht, per Smartphone einen Termin zu buchen oder ein Formular hochzuladen, stößt schnell an Grenzen. Veraltete Technologien, blockierte Pop-ups oder fehlende Kompatibilität mit Apple-Geräten sorgen regelmäßig für Frust. Die beste Chance auf fehlerfreie Nutzung besteht meist mit einem Windows-Rechner und dem Browser Google Chrome.
Wer sich durch die ersten Hürden gekämpft hat, profitiert langfristig von den digitalen Möglichkeiten: Steuererklärungen lassen sich online einreichen, medizinische Dokumente abrufen, Anträge stellen oder Bescheinigungen herunterladen, ganz ohne Wartezeiten, Kopierkosten oder Behördengänge.
Spanien ist digitaler, als man auf den ersten Blick denkt, vor allem beim Bezahlen, im Banking und im Gesundheitswesen. Gleichzeitig ist der Zugang zur digitalen Verwaltung oft unnötig kompliziert. Wer Geduld mitbringt, die richtigen Tools nutzt und sich gegebenenfalls Hilfe holt, kann sich viele Wege, Wartezeiten und Nerven sparen.
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