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Mohamed, muslimischer Obst- und Gemüsehändler aus Jumilla. AGM
Rechtsruck

Rechtspopulisten wollen Spanien vor «Islamisierung» verteidigen

Spaniens Bischöfe kritisieren Vox scharf für ihren Angriff auf die religiöse Freiheit und stehen nun selber im Visier von Rechtsaußen

Manuel Meyer

Madrid/Murcia

Donnerstag, 14. August 2025

Die meisten der knapp 27.000 Einwohner von Jumilla verstehen immer noch nicht, wie es überhaupt so weit kommen konnte. Ihre ruhige Kleinstadt im Hinterland der südspanischen Mittelmeerregion Murcia ist plötzlich zum Synonym für Ausländerhass und Islamophobie geworden.

Dabei hat die Gemeinde mit 1.500 muslimischen Migranten, die hier auf den Feldern der südspanischen Gemüseregion arbeiten, weder sonderlich viele Einwanderer noch gab es in der Vergangenheit Probleme mit ihnen. Doch seit Ende Juli berichten alle Tageszeitungen und TV-Sender des Landes über den Ort. Der Grund: Spaniens Rechtspopulisten von der Vox-Partei gelang in Jumilla, was sie zuvor in anderen Gemeinden auch versuchten, aber nicht erreichten.

Die Partei hatte zur «Verteidigung der christlichen Wurzeln und Traditionen des spanischen Volkes» ein Verbot islamischer Feierlichkeiten im öffentlichen Raum gefordert und die in Jumilla regierenden Konservativen des Partido Popular setzten den Antrag um. Zwar ist Vox mit nur einem Abgeordneten im Stadtrat vertreten. Doch von diesem hing die Verabschiedung des neuen Haushalts ab und die Konservativen hatten wohl kaum mit einer landesweiten Polemik dieses Ausmaßes gerechnet.

Der Aufschrei der muslimischen Gemeinschaft ist laut. Doch vor allem Vox' Siegesfeier machte Lärm, ließ die Menschen und die Medien aufhorchen. «Spanien ist und bleibt für immer das Land der Christen», postete Vox zufrieden auf seinen sozialen Netzwerken. Eine von Vox angetriebene Islamophobie, die bereits vor zwei Wochen in der nur 100 Kilometer von Jumilla entfernten Gemeinde Torre Pacheco in einer 'Jagd auf Migranten' endete. Auslöser der tagelangen rassistischen Ausschreitungen mit einem Dutzend Verhafteten war der brutale Überfall von drei marokkanischen Jugendlichen auf einen 68-jährigen Rentner der Ortschaft.

Vox rief zur «Verteidigung» auf, heizte in seinen sozialen Medien die Stimmung an. Nur 24 Stunden später zerschlugen rechte Jugendbanden von außerhalb Döner-Läden, marokkanische Gemüsegeschäfte und machten mit Schlagstöcken und Macheten Jagd auf alle, die nach Nordafrikanern aussahen.

Bereits zuvor forderte Vox Massenabschiebungen «aller illegalen Einwanderer und der Legalen, die Verbrechen begehen oder sich weigern, sich in unsere Kultur und Bräuche zu integrieren und uns fremde Religionen aufzwingen wollen». Immer wieder bringen die Rechtspopulisten Migration mit wachsender Kriminalität und Massenvergewaltigungen in Verbindung, obwohl die Statistiken diese Behauptungen als Fake News entlarven.

«Derzeit konzentriert sich Vox vor allem auf die muslimische Religion als Angriffsziel, um von sich reden zu machen und ein klares Feindbild aufzubauen, wie es bei allen internationalen rechtspopulistischen Bewegungen der Fall ist», erklärte der spanische Experte für Rechtsextremismus Miquel Ramos im Gespräch mit dieser Zeitung.

Die Ausschreitungen in Torre Pacheco wären dabei für Vox eher ein willkommener Zufall für ihre ausländerfeindliche Propaganda gewesen. «Doch Jumilla war ein bewusster Schlag gegen den muslimischen Glauben», so Ramos. Er spricht von einer klaren politischen Strategie. Das Verbot für die Abhaltung muslimischer Feste und Gebetsfeiern forderte Vox auch vorher schon in verschiedenen Gemeinden – allerdings ohne Erfolg.

Ende Juni beantragte man in den Regionalparlamenten von Andalusien, Aragón, der Extremadura, den Balearen und Katalonien ein Verbot des islamischen Schleiers oder Kopftuchs in allen öffentlichen Gebäuden einschließlich Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Sportanlagen und Spielplätzen.

Man argumentierte aber nicht mit religiöser staatlicher Neutralität wie in Frankreich. Ganz im Gegenteil: Es geht angeblich um den Schutz des Katholizismus. Dabei wird Vox-Chef Santiago Abascal nicht müde, zu unterstreichen, dass sich Spaniens Gründung gerade durch seinen Kampf gegen den Islam definierte und erinnert an die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel durch die Katholischen Könige, die 1492 die über 850 Jahre lange 'Besetzung' Spaniens durch die Muslime beendete.

Katholische Kirche gegen «Diskriminierung» des Islam

Doch ist es derzeit vor allem die katholische Kirche, die den Rechtspopulisten bei ihrem religiös-rassistisch Kreuzzug gegen die muslimische Gemeinschaft entgegentritt. Vehement kritisierte die spanische Bischofskonferenz das von Vox und den Konservativen in Jumilla verabschiedete Verbot muslimischer Feiern im öffentlichen Raum. Spaniens Bischöfe bezeichneten dieses in einer gemeinsamen Erklärung mit der Islamischen Kommission Spaniens als eine «verfassungswidrige Einschränkung der Religionsausübung als Grundrecht und stellten klar, es handle sich dabei um eine «religiöse Diskriminierung, die in demokratischen Gesellschaften nicht vorkommen darf».

Vox-Stadtrat von Jumilla, Juan Agustín Carrillo, in seinem Parteibüro. EFE

Die Konservativen, dessen Wählerschaft zum Großteil bekennende Katholiken sind, stellt das derzeit vor Erklärungsnöte. Doch Vox-Chef Abascal schäumt vor Wut. Die Reaktion der Bischofskonferenz habe ihn «überrascht und enttäuscht». Er sei sich nicht sicher, ob ein Teil der Kirchenhierarchie so agiere, weil sie durch die vielen Pädophilen-Fälle «mundtot gemacht» worden seien oder weil sie von den öffentlichen Zuschüssen der linken Regierung abhängen. Konkret spielte er auf die karitative Kirchenorganisation Caritas an, die für die Betreuung von Einwanderern viele staatliche Gelder erhalte. Abascal behauptete, dass von diesen Subventionen ein Großteil wohl in den Kirchenkassen lande und nicht bei den angeblich hilfsbedürftigen Migranten.

Zwar finanziert sich Caritas zu 70 Prozent durch private Spenden. Doch für Vox ist Caritas ein rotes Tuch, nachdem die Organisation im Parlament im Juni ein Volksbegehren voranbrachte, mit dem außerordentliche Legalisierungsprozesse für Zigtausende illegale Migranten in die Wege geleitet werden. Der Angriff auf die Katholische Kirche zeigt dabei einmal mehr, dass es den Rechtspopulisten nicht um Religion oder die Verteidigung christlicher Wurzeln geht, sondern um die Schaffung von klaren und in diesem Fall religiös verbrämten Feindbildern.

Mitschuld von PP

Doch gibt Extremismusexperte Miquel Ramos auch den Konservativen von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo eine klare Mitschuld an der erfolgreichen Verbreitung von Vox' rassistischer Propaganda und Politik. Einerseits hätte die PP im Gegensatz zu anderen konservativen Parteien in Europa nie eine rote Linie zwischen sich und den Rechtsextremen gezogen. Andererseits übernehmen sie derzeit von Vox eins zu eins die Gleichsetzung von Migration, Kriminalität und Unsicherheit aus Angst, noch mehr Wähler an Vox zu verlieren, die gerade ihre Unterstützung bei den unter 35-Jährigen und Geringverdienern in den vergangenen zwei Jahren fast verdoppeln konnte – auch dank ihrer Panikmache vor den Folgen der illegalen Migration.

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