Spaniens Jugend rückt nach rechts
In nur zwei Jahren verdoppelte die rechtspopulistische Vox ihre Anhänger bei den unter 35-jährigen Spaniern
MANUEL MEYER
MADRID.
Donnerstag, 7. August 2025
Es waren erschütternde Bilder, die uns Mitte Juli aus Torre Pacheco erreichten. Horden junger Männer gingen vermummt und mit Schlagstücken und Macheten bewaffnet in den Straßen des südspanischen Städtchens auf Jagd – auf 'Jagd nach Einwanderern'. Auslöser war ein Übergriff von mutmaßlich marokkanischen Jugendlichen auf einen 68-jährigen Rentner in der Gemeinde.
Bei den meisten selbsternannten 'Patrioten' handelte es sich um Jugendliche Mitte Zwanzig. Rechtsextreme Jugendbanden organisierten über den Messengerdienst Telegram die Jagd auf die 'Moros'. Moros werden in Spanien Nordafrikaner, vor allem Marokkaner genannt. Mehrere Nächte kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen und Straßenschlachten mit der Polizei.
Angefeuert wurden die gewaltbereiten Jugendlichen von der rechtspopulistischen Partei Vox. José Ángel Antelo, Vox-Chef in der Region Murcia, schimpfte in Torre Pacheco auf «verräterische Politiker», welche «unsere Straßen mit den Schlimmsten der Schlimmsten gefüllt» hätten. Damit meinte er sowohl die regierenden Sozialisten der PSOE als auch die Konservativen (PP) von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo.
Was man mit den Migranten vorhat, stellte Antelo auch klar: «Wir werden sie alle abschieben, keiner wird bleiben». Wenige Tage zuvor hatte bereits sein Parteiführer Santiago Abascal in Madrid gefordert, mindestens sieben Millionen Einwanderer plus deren Kinder des Landes zu verweisen. Die Rechtspopulisten scheuen sich nicht vor ausländerfeindlicher Propaganda. Denn mit ihnen gewinnen sie anscheinend sogar Sympathien – vor allem bei jungen Spaniern.
Trendwende
Jahrelang wurden junge Spanier mit progressiven und linken politischen Positionen in Verbindung gebracht. Neue demografische Studien in Spanien spiegeln jedoch eine Trendwende wider: Ein großer Teil der jungen Wählerschaft, insbesondere Männer, orientiert sich an rechten politischen Optionen. Laut einer jüngsten Umfrage des Zentrums für Soziologische Forschung (CIS) unterstützen mittlerweile 25 Prozent aller Spanier zwischen 18 und 24 Jahren die Vox-Partei. Unter den 25- bis 34-Jährigen sind es immerhin noch 20 Prozent. Damit konnten die Rechtspopulisten ihre Anhänger in der Altersgruppe unter 35 Jahren in nur zwei Jahren nahezu verdoppeln.
Unterdessen verlieren die Sozialisten von Ministerpräsident Pedro Sánchez gerade auch im Zuge der jüngsten Korruptionsskandale junge Wählerstimmen wie nie zuvor. In der Altersgruppe zwischen 18 bis 24 Jahren sind sie in nur vier Wochen von 19,8 auf 14,8 Prozent gesunken, und unter den 25- bis 34-Jährigen von 17,6 auf 13,1 Prozent. Bei Spaniens Konservativen sieht die Tendenz ähnlich aus.
Für die Soziologin und Leiterin der CIS-Studie Beatriz Domínguez gibt es dabei mehrere klare Gründe für den Rechtsruck unter Spaniens Jugendlichen. Einer der Hauptgründe ist, dass junge Menschen «unter linken Regierungen aufgewachsen sind» und Jugendliche haben «rebellische Tendenzen» gegen die aktuelle Macht. Hinzu kommt «die soziale Frustration, die früher von der linken Podemos kanalisiert wurde, und nun von der Rechten und der extremen Rechten absorbiert wird».
Dies ist allerdings ein europäischer, sogar globaler Trend, wobei sich mit Trump, Meloni oder auch der deutschen AfD-Vorsitzenden Alice Weidel rechtsextreme Diskurse normalisiert haben. Dabei ist es Vox gelungen, die soziale Unzufriedenheit der Jugendlichen zu nutzen, allerdings vom anderen Extrem aus. Ein weiterer Grund, warum ausgerechnet Vox junge Menschen anspricht, ist die Tatsache, dass die Partei im Gegensatz zu PP und PSOE nicht «die Last der Regierungsverantwortung» trage. Es ist halt einfacher, selbst mit unhaltbaren Versprechen zu kritisieren und zu polemisieren als zu regieren und zu gestalten.
Rechte beherrschen Diskurs in 'sozialen Medien'
Vor allem haben Spaniens Rechtspopulisten aber am besten verstanden, wie und auf welchen Wegen sie die jungen Menschen erreichen. Immer weniger junge Menschen unter 25 Jahren informieren sich noch über Presseberichte. «Kaum eine Partei ist derart auf sozialen Netzwerken und speziell auf TikTok aktiv wie Vox. Doch die Partei ist auf den sozialen Medien auch dank ihrer stark vereinfachten Botschaften so erfolgreich», meint Politologe Pablo Simón.
Botschaften, die aber auch in der realen Welt wirken, wie beispielsweise das Plakat, das Vox vergangene Woche in der andalusischen Küstenstadt El Ejido aufhängen ließ. Auf der einen Seite ist eine mit einer Burka verschleierte Frau zu sehen. Unter dem Bild prangern die Logos der PP und der PSOE. Auf der anderen Seite ist eine junge Frau mit hellen Augen, langem Haar und nackten Schultern mit dem Vox-Logo abgebildet. Zwischen den beiden Frauen steht eine Frage: «Welches Almería willst Du?» Solch populistischen Slogans scheinen zu funktionieren – vor allem in der vereinfachten TikTok-Welt – aber nicht nur dort.
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