Spanische Richter öffnen Tür für Erlass der Schulden Selbständiger beim Staat
Zwei wegweisende Urteile auf Grundlage der EU-Rechtsprechung ermöglichen den Erlass von Schulden bei Steuer- und Sozialversicherung
JOSÉ A. GONZÁLEZ
MADRID.
Donnerstag, 28. August 2025
Immer mehr Urteile stellen die Grenzen des 'Gesetzes der zweiten Chance' in Frage. Die Insolvenzreform von 2022 legte eine umstrittene Obergrenze fest: Nur bis zu 10.000 Euro Schulden bei Finanzamt und Sozialversicherung können erlassen werden. Die ersten 5.000 Euro werden vollständig erlassen, danach wird nur noch die Hälfte bis zum Erreichen dieser Obergrenze erlassen. Das Ergebnis ist, dass Schulden bei Banken und privaten Einrichtungen komplett erlassen werden können, jene bei öffntlichen Institutionen jedoch nicht. «Das widerspricht dem Geist der europäischen Richtlinie», kritisieren die Selbstständigenverbände.
Eines der letzten Urteile vom Mai dieses Jahres wurde von Richter Gustavo Andrés Martín, Vorsitzender des Handelsgerichts Nr. 1 von Alicante, unterzeichnet. «Es ist ein mutiger Ansatz, von dem wir hoffen, dass er von anderen Richtern übernommen wird», erklärt die mit dem Verbraucherverband für Finanzfragen, Asufin, zusammenarbeitende Anwältin Ágora Merenciano. Der Richter kippte die gesetzliche Grenze von 10.000 Euro und erlaubt den kompletten Erlass von Schulden beim Staat, einschließlich der offenen Beträge bei Finanzamt und Sozialversicherung.
Ebenfalls im Mai sprach das Handelsgericht Nr. 19 von Madrid einen Selbstständigen von mehr als 100.000 Euro an öffentlichen Schulden frei, darunter Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Abgaben an die Stadtverwaltung der Hauptstadt. Seiner Meinung nach bietet die spanische Gesetzgebung keine ausreichenden Gründe, um die Streichung zu verhindern, «vor allem wenn der Schuldner in gutem Glauben gehandelt hat. Wir haben Fälle, in denen ein Selbstständiger gute Umsätze erzielt, seine Mitarbeiter bezahlt, die Schulden mit seinen Lieferanten neu verhandelt hat, aber wegen der Schulden beim Staat schließen muss», sagt Celia Ferrero, Vizepräsidentin des Nationalen Verbandes der Selbstständigen (ATA). «Es sind das Finanzamt und die Sozialversicherung, die den Selbstständigen ruinieren; dieses Gesetz entspricht nicht dem Geist der europäischen Richtlinie», sagt sie.
STANDPUNKTKONFLIKTDer Verband der Selbstständigen ist der Ansicht, dass das spanische Gesetz gegen den europäischen Geist verstößt
Diese Verordnung zielt darauf ab, die Rahmenbedingungen für die präventive Umstrukturierung und den Erlass von Schulden zu harmonisieren, um natürlichen Personen und Kleinstunternehmen eine neue Chance zu geben. «In Spanien wird nicht eingehalten, was in Europa gesagt wird», erklärt Ferrero. Sie erinnert daran, dass es bereits mehrere Vorabentscheide zu diesem Thema beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gibt, der am 28. April die Rechtmäßigkeit des automatischen Ausschlusses öffentlicher Schulden vom Schuldenerlass für Schuldner, die in gutem Glauben handeln, in Frage gestellt hat.
Rückhalt in Europa
Die beiden Urteile, die in diesem Frühjahr bekannt wurden, ebnen einen Weg, der noch ausgearbeitet werden muss. Die Entscheidung beider Richter kann von höheren Instanzen überprüft werden und sogar bis zum Obersten Gerichtshof gelangen, wie das Urteil des Madrider Gerichts. «Es müsste nun eine verbindliche Rechtsprechung zu diesem Thema geschaffen werden», heißt es in dem Urteil.
Sowohl der Richter des Madrider Gerichts als auch der Richter des Gerichts in Alicante stützen sich auf die Auslegung des EuGH in seinem Beschluss vom 28. April 2025, der zu dem Schluss kommt, dass Artikel 489.1.5º der Neufassung des Insolvenzgesetzes (TRLC), der Schulden bei öffentlichen Institutionen generell von der Entlastung ausschließt, nicht anwendbar ist. Folglich lässt er zu, dass alle öffentlich-rechtlichen Schulden in den dem Schuldner gewährten Erlass einbezogen werden können.
Die Bedingungen sind jedoch weiterhin streng. Der Selbstständige muss in gutem Glauben gehandelt haben, er darf nicht betrügerisch gehandelt haben, darf nicht wegen Wirtschaftsdelikten vorbestraft sein und muss gegebenenfalls versucht haben, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen. Dieser Ansatz soll Missbrauch des Systems verhindern, ohne jedoch diejenigen auszuschließen, die trotz aller Bemühungen keinen Erfolg hatten. «Entscheidend ist, dass die Verwaltung flexibel ist, denn die größten Gläubiger sind in der Regel das Finanzamt und die Sozialversicherung», erklärt Ferrero.
Mit dieser neuen Rechtsprechung öffnet sich die Tür, die bis vor kurzem noch verschlossen war, nun langsam.
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