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Héctor Barbotta
Sevilla
Mittwoch, 4. Juni 2025
. Der Satz fiel bereits im vergangenen Jahr, ist kurz, scheint harmlos und steht in einem 30 Seiten umfassenden Text voller guter Intentionen: «Eine vereinfachte Vorgehensweise: mit weniger Programmen und einem Plan für jedes einzelne Land, der wichtige Reformen mit Investitionen verknüpft und sich auf unsere gemeinsamen Prioritäten konzentriert.» Die Reaktionen, die der Satz auslöste, waren beachtlicht: Die Alarmglocken der andalusischen Landesregierung schrillten – und nicht nur dort – und die Diskussionen über die geplante neue Vergabeweise der Gelder sind fernab ideologischer Standpunkte seither nicht abgeflacht. Vor allem die Formulierungen «ein Plan für jedes Land» und «weniger Programme» schüren das Misstrauen.
Der viel diskutierte Satz stammt aus dem Mund von Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen, das dazugehörige Schriftstück ist betitelt mit 'Europa hat die Wahl: Politische Leitlinien für die nächste Europäische Kommission 2024-2029' und beschreibt die Intentionen, die Von der Leyen (CDU) im vergangenen Jahr vor ihrer Wiederwahl im Juli 2024 im Rahmen eines Fünf-Jahre-Plans vorgestellt hatte.
Kohäsionsfonds und ihre vielschichtigen Programme haben in den zurückliegenden Jahrzehnten viel dazu beitragen, dass Regionen wie Andalusien mit reicheren Ländern und Regionen nach und nach aufschließen konnten. Noch ist der Weg nicht abgeschlossen, aber die gemachten Fortschritte sind beachtlich. Im zurückliegenden Jahrzehnt ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Andalusiens mit Ausnahme im zentralen Pandemiejahr 2020 kontinuierlich gestiegen. In den ersten Jahren nach Corona legte das BIP in 2021 um 6,43 Prozent, 2022 um 4,58 Prozent und 2023 um 1,65 Prozent zu und lag somit sowohl über dem durchschnittlichen Wachstum der EU (6,05%, 3,14% und 0,04%) als auch über dem spanischen BIP der Jahre 2021 (+6,34%) und 2023 (1,62%). Dies geht aus Daten des andalusischen Statistikinstituts hervor.
Befürchet wird nun, dass die zentrale Vergabe der Kohäsionsfonds und der damit einhergehende Mitspracheverlust bei deren Management diese bislang positive Entwicklung in Andalusien ausbremsen könnte.
Der für Aufruhr sorgende Satz steht im Abschnitt über die von der Kommissionspräsidentin angestrebte Art, wie die Haushalte und die Kohäsionsfonds künftig erstellt werden. Derzeit werden diese für den Zeitrahmen 2028-2034 ausgearbeitet. Geht es nach Von der Leyen, so befürchten Andalusiens Junta und auch andere Regionalregierungen Europas, könnten die doch beachtlichen finanziellen Unterstützungen der EU künftig bei den Zentralregierungen landen und von dort aus verwaltet sowie an einzelne Regionen im Land vergeben und womöglich in die ein oder andere Richtung geleitet werden.
Von der andalusischen Regierung heißt es, bislang habe sie während der verschiedenen Programmplanungszeiträume eine aktive Rolle bei der Entwicklung einer Multi-Level-Governance spielen und somit bei der Entscheidungsfindung und der politischen Gestaltung von regionaler Seite aus mitwirken können. Damit sei eine Anpassung der Politik und der Fonds an die spezifischen Bedürfnisse Andalusiens möglich gewesen.
Seit Eintritt Spaniens in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1986 flossen 68,786 Milliarden Euro nach Andalusien, oft in Form von Geldern eines Kohäsionsfonds. Von den knapp 69 Milliarden Euro wurden rund 35,3 Milliarden durch den Staat verwaltet, die restlichen Gelder gingen direkt an die Junta de Andalucía. Gelder, die auf bedeutende Weise auch die Ausarbeitung der Etats der Region bestimmten und durchaus die Nervösität erklären, die bei der Junta herrscht, seit die Pläne der Kommissionspräsidentin im Raum stehen.
In seinem Amt als stellvertretender Präsident des europäischen Ausschusses der Regionen verbrachte Junta-Präsident Juanma Moreno erst kürzlich arbeitsintensive Tage in Brüssel und nahm dort auch kein Blatt vor den Mund: «Für Andalusien wäre die Zentralisierung fatal.» Für Länder mit einer sehr zentralisierten Verwaltung wie etwa Frankreich oder für kleinere Staaten könne die von Von der Leyen vorgeschlagene Änderung von geringerer Bedeutung sein, für sehr dezentralisierte Länder wie Spanien aber würde das eine transzendentale Veränderung bedeuten. Spanien sei vergleichbar mit Deutschland, ein großflächiges Land mit einer politischen Architektur, die den regionalen Verwaltungen großes Gewicht beimesse. In seiner Kritik an einer neuen Haushalts- und Fondspolitik fand Moreno denn auch Alliierte wie die Landesregierungen von Sachsen und Bayern.
Allein die Möglichkeit, dass sämtliche Gelder in Madrid ankämen und dort von der Regierung Pedro Sánchez verwaltet würden, kommt Andalusiens Landesregierung einem Albtraum gleich. Dabei ist es eine Vorgehensweise, die wegen ihrer größeren Agilität von der Europäischen Kommission bereits bei der Vergabe der Next Generation-Fonds angewandt wurde. Die Vergabeweise dieser Fonds für die Wirtschaftsförderung im Anschluss an die Pandemie wurde in Brüssel positiv bewertet und deshalb wohl auch von der Kommissionspräsidentin für die Vergabe der Kohäsionsfonds ins Auge gefasst.
Über den Vergabemodus der Next-Generation-Fonds via Zentralregierung in Madrid ist man in Andalusien weitaus weniger begeistert als in Brüssel. Die Junta versichert, die Regierung unter Pedro Sánchez habe ihre Kriterien überstülpen wollen und bei Fragen der Zuständigkeit der autonomen Landesregierungen Willkür walten lassen. Ein Beispiel seien die Gelder für frühkindliche Erziehung, die Andalusien nicht für den Ausbau seines Bildungssystems habe nutzen können und letztlich in Höhe von 119 Millionen Euro habe zurückzahlen müssen.
Die Kritik an neuen Vergabeweisen der Fondsgelder ist jedoch keineswegs ideologisch gefärbt. So wurde im Ausschuss der Regionen unter Leitung von Moreno ein Vorschlag gegen eine Änderung der Kriterien von einem sozialistischen Mitglied des Ausschusses aus der französischen Region Nouvelle-Aquitaine eingebracht und einstimmig verabschiedet. Ein durchaus ungewöhnliches Abstimmungsergebnis in einem Ausschuss, in dem 200 europäische Regionen mit den verschiedensten politischen Ausrichtungen vertreten sind.
Die größte Sorge ist, dass Europa in einem Moment, in dem neue Herausforderungen mit Blick auf Sicherheit und Verteidigung gemeistert werden müssen, die Zentralisierung der Fonds nicht nur den regionalen Regierungen das Co-Management aus den Händen nimmt, sondern auch Gelder, die ursprünglich für die Konvergenz der Regionen vorgesehen waren, für die neuen notwendigen Ausgaben umgeleitet werden.
Für Andalusien könnte viel Geld auf dem Spiel stehen. Im aktuellen Haushalt 2021-27 sind für die Region 12,710 Milliarden Euro vorgesehen, von denen 7,212 Milliarden bereits von der andalusischen Landesregierung verwaltet werden. Vorangetrieben werden mit diesen Geldern Automatisierungsprozesse in der Verwaltung, der Bau des nördlichen Abschnitts der U-Bahn-Linie 3 in Sevilla, Subventionen für Maßnahmen im Bereich des Agrarumweltmanagements, Subventionen für die Niederlassung junger Landwirte und Landwirtinnen oder für vom EU-Sozialfonds mitfinanzierte Maßnahmen von strategischer Bedeutung.
68,786
Milliarden Euro hat Andalusine seit dem Eintritt Spaniens in die Europäische Union aus dem Kohäsionsfonds erhalten
12,710
Milliarden Euro sind im aktuellen Haushalt (2021-2027) für Andalusien vorgesehen
74,9%
Der EU-Index für regionale Wettbewerbsfähigkeit 2022 berücksichtigt 11 Säulen, die wichtige Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit beschreiben. Von der Ausgabe 2019 bis 2022 hat Andalusien diesen Index um 3,2 Punkte gesteigert und liegt nun bei 74,9 %1 des europäischen Durchschnitts. Andalusiens Leistung sticht in Schlüsselaspekten wie Gesundheit, Hochschulbildung oder technologische Kompetenz hervor und liegt in diesen Säulen bei über 90,2 % des Durchschnitts.
Im Rahmen des vorherigen Etats 2014-2020 flossen 15,234 Milliarden Euro nach Andalusien, von denen 60 Prozent direkt von der Junta verwaltet und zum Teil in Projekte investiert wurden, die teilweise noch laufen. Finanziert wurden anderem Maßnahmen für thermische Sanierungen in Gebäuden und Wohnungen in 416 Gemeinden Andalusiens, der Plan für Bioklimatisierung und erneuerbare Energien in Schulen, das Beratungsprogramm Crece für eine digitale Transformation und ein intelligentes und nachhaltiges Wachstum von Agrarunternehmen und ländlichen Betrieben, Gründerhilfen für junge Landwirte, der Bau des öffentlichen Berufsbildungszentrums CPIFP für Luft- und Raumfahrt Javier Imbroda, der Bau und die Anpassung des Forstschutzzentrums CEDEFO, die duale Berufsausbildung, Maßnahmen zum Hochwasserschutz am Río Guadalhorce in Málaga Stadt, Ausbau- und Sanierungsarbeiten am Hospital Costa del Sol de Marbella, die Straßenbahn in der Bucht von Cádiz oder der Kauf der Finca Veta la Palma zur Verbesserung der Lage im Nationalpark Doñana.
Die Debatte um eine Neuorganisation der EU-Fonds wird noch bis Juli kontrovers ausgetragen werden. Dann will die EU-Kommission ihren definitiven Vorschlag für die Vergabeweise der Fonds präsentieren. Das Ergebnis dürfte von entscheidender Bedeutung für die Zukunft der EU sein.
Der jetzt im Ausschuss der Regionen verabschiedete Vorstoß gegen veränderte Regeln bei der Kohäsionsfondsvergabe warnt, «die Kohäsionspolitik ist der zentrale Motor für die Transformation unserer Regionen. Die zugrundeliegenden Prinzipien der Subsidiarität und der Partnerschaft bieten den Regionen Europas die Möglichkeit, die Prioritäten der Europäischen Union an spezifische territoriale Begebenheiten anzupassen. Diese Politik muss auch weiterhin auf regionaler Ebene vorangetrieben, verwaltet und umgesetzt werden. Geschieht dies nicht, ist das europäische Projekt selbst in Gefahr.»
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