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In beiden Tunnelsystemen gibt es museumsartig nachgestellte Szenen. N.H.
Verteidigung

Gibraltar: Ausgedehntes Tunnelsystem gegen Angriffe und Belagerungen

Den Felsen von Gibraltar durchziehen Tunnel von einer Gesamtlänge von 52 Kilometern. Ein Teil davon ist museumsartig hergerichtet und kann besichtigt werden.

NICOLAS HOCK

GIBRALTAR.

Mittwoch, 2. April 2025

Gibraltar, das britische Überseegebiet am südlichsten Punkt der Iberischen Halbinsel, ist berühmt für seinen markanten Felsen mit seinen dort frei lebenden Berberaffen. Etwas weniger bekannt, aber genauso kurios wie die Affenkolonie, ist der Umstand, dass der etwa sechs Kilometer lange und 1,2 Kilometer breite Felsen mit seinem höchsten Punkt auf 426 Metern von einem ausgedehnten Tunnelsystem mit Schießscharten, Munitionslagern, Wohn- und Schlafräumen und sogar Krankenhäusern für Soldaten durchzogen ist. Denn Gibraltar befindet sich in einer strategisch wichtigen Lage am Eingang zum Mittelmeer und musste sich mehrmals gegen Angriffe fremder Nationen wappnen, seitdem die nur rund 6,5 Quadratkilometer große Halbinsel im Spanischen Erbfolgekrieg (1701 bis 1714) 1704 von einer englisch-holländischen Flotte erobert wurde und seitdem unter britischer Souveränität steht.

Das erste Tunnelsystem, die 'Great Siege Tunnels', wurde im Jahr 1782 während der 14. und letzten Belagerung durch die Spanier (1779-1783), die als die 'Große Belagerung' in die Geschichte einging, eingerichtet und besitzt eine Länge von 113 Metern. Das zweite Tunnelsystem, die 'World War II Tunnels' wurde während des Zweiten Weltkriegs gegen erwartete Angriffe von Deutschland und dem mit ihm verbündeten Italien nach der Evakuierung der Zivilbevölkerung Gibraltars geschaffen, und ist fast 52 Kilometer lang.

Von beiden Tunnelsystemen sind heute Teile für Besucher zugänglich, die museumsartig mit nachgestellten Szenen und erklärenden Schautafeln eingerichtet sind, wobei man sich einen guten Eindruck von der damaligen Ingenieurskunst und den Lebensbedingungen der dort stationierten Soldaten machen kann.

Szena aus den 'Great Siege Tunnels'. N.H.

Bei einer Besichtigung der Tunnel kann man mit den 'Great Siege Tunnels' beginnen, dessen Eingang sich an der nordwestlichen Seite des Felsens von Gibraltar befindet. Wenn man das Tunnelsystem betritt, fühlt man sich sofort in das 18. Jahrhundert zurückversetzt. Man kommt an Gefechtsstellungen mit in den Felsen gehauenen Schießscharten vorbei, an denen lebensgroße Figuren in britischen Uniformen zu sehen sind, wie sie Kanonen laden und abfeuern.

Besonders beeindruckend ist eine Szene, die eine Gruppe von Soldaten zeigt, die sich abmühen, eine schwere Kanone durch den engen, felsigen Tunnel zu schieben. Die Details sind bemerkenswert: Man sieht die Anstrengung auf den Gesichtern der Figuren, die Schweißperlen, die über ihre Stirn rinnen, und die Muskeln, die sich unter der Last anspannen. Durch die Schießscharten sieht man die Bucht von Gibraltar und die umliegenden Küstenorte, so dass man den selben Blick hat, den die Verteidiger vor über 200 Jahren hatten. Ein Höhepunkt der 'Great Siege Tunnels' ist die berühmte 'St. George's Hall', ein großer, in den Felsen gehauener Raum, der als Kommandozentrale diente. Hier sieht man Offiziere, die um einen großen Holztisch versammelt sind, auf dem eine Karte Gibraltars ausgebreitet ist.

Der Eingang zu den 'Word War II Tunnels' liegt nur einige hundert Meter von dem der 'Great Siege Tunnels' entfernt. Im Gegensatz zu den erstgenannten Tunneln, für die die Arbeiter nur Hämmer, Meißel und Schaufeln als Werkzeuge hatten, wurde das Tunnelsystem des Zweiten Weltkriegs mit Presslufthämmern, Sprengstoff und moderneren Techniken gebaut, weshalb die Tunnel auch höher und geräumiger sind. In den Tunneln trifft man wieder auf nachgestellte Szenen, die das Leben und die Arbeit der Soldaten und Zivilisten während des Krieges veranschaulichen. Eine besonders schöne Szene zeigt eine unterirdische Kommandozentrale. Hier sitzen Offiziere in historischen Uniformen an Tischen, über Karten gebeugt und umgeben von alten Funkgeräten und Telefonen. Die Wände sind mit Karten und Dokumenten bedeckt, die die strategischen Planungen darstellen. Ein weiterer Abschnitt zeigt eine unterirdische Krankenstation mit Betten und Figuren von Krankenschwestern und Ärzten, die sich um verwundete Soldaten kümmern, ferner sieht man Bereiche, die als Küchen, Schlafräume und Lager genutzt wurden.

Szene aus den 'World War II Tunnels'. N.H.

Eine der interessantesten Geschichten, die auf den Schautafeln in den Tunneln nachgelesen werden kann, ist die Operation 'Tracer'. Diese geheime Mission war darauf ausgelegt, eine kleine Gruppe britischer Soldaten und Zivilisten im Felsen zu verstecken, falls Gibraltar von den Achsenmächten besetzt würde. Das Versteck, das man besichtigen kann, ist erstaunlich gut erhalten und zeigt die engen Räume, in denen die Männer monatelang hätten überleben müssen. Ausgestattet mit Vorräten und Funkgeräten, sollte diese Gruppe weiterhin Informationen über feindliche Aktivitäten an die britischen Streitkräfte weiterleiten.

Für die Besichtigung der zugänglichen Teile beider Tunnelsysteme kann man zwei bis drei Stunden einplanen, da es auf den dortigen Schautafeln ausgiebige Informationen auf Spanisch und Englisch zum Bau der Tunnel und deren Besonderheiten gibt.

Operation 'Fenix'

Während des Zweiten Weltkriegs entwickelte das nationalsozialistische Deutschland einen ehrgeizigen Plan, um die strategisch wichtige Festung Gibraltar von den Briten zu erobern. Diese geheime Militäraktion, bekannt als 'Operation Felix', sollte den Zugang zur Meer enge von Gibraltar sichern und somit den Nachschub der Alliierten im Mittelmeerraum stören. Die Planungen für Operation Felix begannen im Sommer 1940, kurz nach dem Fall Frankreichs. Adolf Hitler beauftragte den deutschen Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel mit der Ausarbeitung eines Angriffsplans. Der Plan sah vor, dass deutsche Truppen über Spanien marschieren und Gibraltar angreifen sollten. Spanien, unter der faschistischen Regierung von Francisco Franco, sollte als Verbündeter oder zumindest als stiller Unterstützer agieren. Der Plan umfasste mehrere Phasen: Zunächst setzte man auf diplomatische Verhandlungen. Hitler versuchte, Franco zu überzeugen, sich dem Angriff anzuschließen oder zumindest den deutschen Truppen Durchmarschrechte zu gewähren. Danach waren Truppenbewegungen vorgesehen. Deutsche Einheiten sollten über Frankreich nach Spanien verlegt werden, um sich für den Angriff zu positionieren. Zum Abschluss sollte eine militärische Operation erfolgen. Ein kombinierter Angriff von Land, Luft und See sollte die britischen Verteidigungsstellungen neutralisieren und Gibraltar erobern.

Der Plan scheiterte jedoch. Trotz intensiver diplomatischer Bemühungen gelang es Hitler nicht, Franco von einer Beteiligung zu überzeugen. Franco war besorgt über die mögliche britische und amerikanische Reaktion sowie die Folgen für die spanische Wirtschaft. Ohne die Unterstützung Spaniens wurde die Operation Felix letztlich aufgegeben.

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