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Die Fassade der Kathedrale von Almería hat eine beeindruckene Fassade. B.L.
Das Aschenputtel unter den andalusischen Provinzhauptstädten

Das Aschenputtel unter den andalusischen Provinzhauptstädten

Almería Stadt wird von den Naturstränden am Cabo de Gata und den Wüstenlandschaften vonTabernas überschattet

BEATRICE LAVALLE

ALMERÍA

Mittwoch, 2. April 2025

Wenn man jemanden fragt, welche spanische Stadt sich auf zwei Kontinenten befindet, bekommt man sicherlich eine Gemeinde der Kanarischen Inseln oder eine der spanischen Exklaven Ceuta oder Melilla zur Antwort. Weit gefehlt, diese befinden sich alle geografisch nur auf einem, dem afrikanischen Erdteil. Kaum jemand weiß, dass die einzige spanische Stadt, deren Stadtgebiet sich wirklich auf zwei Kontinente erstreckt, Almería ist. Die Hauptstadt der gleichnamigen südöstlichsten andalusischen Provinz umfasst nämlich neben ihrem Stadtkern auf dem spanischen Festland auch die Isla de Alborán, ein 88 Kilometer südlich von Almería gelegenes Eiland, das sich geografisch in Afrika befindet.

Almería ist ein wenig das Aschenputtel unter den großen andalusischen Provinzhauptstädten. Stechen Granada mit seinem Erbe aus der Zeit des Al Andalus, Sevilla mit seinen barocken Prachtbauten und Málaga mit seinem umfangreichen Kulturangebot hervor, besitzt Almería kein einzigartiges kulturelles Charakteristikum, mit dem es touristisch punkten könnte. Wenn von Almería die Rede ist, kommen einem eher die Strände des Naturparks Cabo de Gata oder die Wüstenlandschaften und Western-Städte von Tabernas als die schmucke Hauptstadt in den Sinn. Dabei hat auch Almería Stadt eine Menge an Sehenswürdigkeiten wie historische Monumente und architektonische Juwele unterschiedlicher Epochen zu bieten.

Almería besitzt eine der bedeutendsten Burganlagen Andalusiens, deren Alcazaba, nach der von Badajoz, die zweitgrößte Spaniens ist. Das beeindruckende, von einer fast anderthalb Kilometer langen Mauer umgebene Monument erstreckt sich zwischen der Innenstadt Almerías und dem Cerro San Cristóbal. Die Verteidigungsanlage, mit deren Bau im 10. Jahrhundert nach der Gründung der Stadt durch Abd ar-Rahmān III. begonnen wurde, besteht aus drei Bereichen aus unterschiedlichen Epochen. Der erste Teil der monumentalen Anlage beherbergt die Torre de Espejos, die dazu diente, den im Hafen ankommenden Booten anhand von Spiegeln Zeichen zu geben, um zu sehen, ob es sich um Freunde oder Feinde handelte. Da dieser Bereich durch das Erdbeben, das 1522 Almería heimsuchte, stark beschädigt wurde, und man keinerlei Dokumente über sein ursprüngliches Erscheinungsbild hatte, wurde hier, als man mit der Restaurierung der Anlage begann, ein Garten im Stil der Alhambra mit Wasserläufen, Brunnen und für das Al Andalus typischer Vegetation angelegt. Der zweite Bereich ist vom ersten durch eine Mauer – den Muro de la Vela – getrennt, die ihren Namen dem von Carlos II. errichteten Glockenturm, der Campana de la Vela, verdankt. Die Glocken dieses von einem Kreuz gekrönten Turms dienten dazu, die Präsenz von Booten in der Bucht anzukündigen und Alarm zu schlagen, wenn Gefahr drohte. In diesem Bereich der Anlage befanden sich die Paläste der Herrscher sowie Gebäude für die Wachposten und Bediensteten, Bäder und Zisternen.

Obwohl auch hier viele Konstruktionen dem Erdbeben zum Opfer fielen, kann man sich dank der Restaurierungsarbeiten eine Vorstellung der ursprünglichen Anlage machen. In den sechziger Jahre wurden zudem aus den Ruinen zwei Häuser nachgebaut und mit Objekten der Epoche bestückt. Hier wird sehr anschaulich gezeigt, wie die Bewohner zur Zeit des Al Andalus lebten. Von dem Hauptpalast hielt nur eine Mauer, der Mirador de la Odalisca, um den sich eine romantische Legende um eine Haremsdame und einen christlichen Gefangenen rankt, dem Erdbeben Stand. Neben der Alberca de los Nenúfares, einem idyllischen Teich, wurde nach der Rückeroberung die Ermita de San Juan im Mudéjar-Stil errichtet, die heute ein kleines Auditorium beherbergt.

Der dritte Bereich ist der vollständig nach der Rückeroberung der Stadt errichtete und neueste Teil der Monumentalanlage. Die Katholischen Könige errichteten zwischen 1490 und 1534 auf dem höchstgelegenen Teil eine mit drei Türmen versehen Burganlage.

Burgmauer aus dem 11. Jahrhundert noch erhalten

Beeindruckend ist auch die als Muralla de Jayrán bekannte Mauer aus dem 11. Jahrhundert, die von der Alcazaba aus die Schlucht Barranco de la Hoya durchläuft und auf dem Hügel San Cristóbal endet. Der Cerro San Cristóbal wird von dem Sagrado Corazón de Jesus, einer Figur aus weißem Marmor, gekrönt, die die Stadt zu segnen scheint. Sie wurde 1928 errichtet und 1936, kurz nach Ausbruch des Bürgerkriegs, in die Luft gesprengt, aber 1944 rekonstruiert. Sowohl von der Burganlage als auch vom Cerro San Cristóbal aus genießt man einen spektakulären Panoramablick auf Almería.

Am Fuß der Burganlage befindet sich das Barrio de la Chanca, ein populärer Stadtteil, der noch das Flair seiner arabischen Vergangenheit als Außenbezirk der Burganlage bewahrt hat und das gerne als Szenarium für Dreharbeiten genutzt wird. Aus der Epoche des Al Andalus stammen auch die in der Nähe der Puerta de Purchena befindlichen Aljibes Árabes, die im 11. Jahrhundert dazu dienten, die Wasserversorgung der Stadt zu sichern. Von ihnen sind drei Ziegelsteingewölbe erhalten, die heute der Flamenco-Vereinigung El Taranto als Sitz dienen.

An der Puerta Purchena reihen sich schmucke Bürgerhäuser aus dem 19. Jahrhundert aneinander. B.L.

Einzigartig ist in mehrerer Hinsicht auch die Catedral-Fortaleza de la Encarnación. Die Kathedrale , mit deren Bau 1524, zwei Jahre nach dem großen Erdbeben begonnen wurde, diente nicht nur als Gotteshaus, sondern angesichts der ständigen Bedrohung durch Piraten und Moriskenaufständen auch als Verteidigungsanlage und Schutzbunker für die Bevölkerung. Dies ist auch heute noch gut an ihrer Hauptfassade mit den massiven Mauern und Ecktürmen erkennbar. Auch das Wappen des Königs Karl V. (Carlos I. in Spanien) an dem Hauptportal zeugt von der militärischen Vergangenheit des Tempels. Im spätgotischen Stil begonnen gesellten sich bis zu ihrer Fertigstellung im Jahr 1562 Stilelemente der Renaissance dazu. Später wurde die Kathedrale noch um weitere barocke und neoklassische Elemente ergänzt. An einem der Türme ist eine, Sol de Portocarrero genannte, in Stein gemeißelte Sonne zu sehen, die sich in das Wahrzeichen der Stadt verwandelt hat. Im Inneren des dreischiffigen Gotteshauses sind die Sakristei und das Chorgestühl von Juan de Orea im Renaissancestil, der Chorraum und der Kreuzgang aus dem 18. Jahrhundert, der als bester neoklassizistischer Kreuzgang spanischer Kathedralen erachtet wird, hervorzuheben.

Neben der Kathedrale besitzt Almería zahlreiche weitere sehenswerte religiöse Bauten wie etwa die Iglesia-Santuario Virgen del Mar aus dem 16. Jahrhundert, in der die Figur der Schutzheiligen der Stadt, die im 16. Jahrhundert neben einem Wachturm am Strand Torregarcía gefunden wurde, aufbewahrt wird.

Einer der restaurierten Paläste der Alcazaba. B.L.

Es gibt allerdings auch allerlei Sehenswertes aus moderner Zeit. Kurios ist die als Cable Inglés bekannte Eisenkonstruktion, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts, den Leitlinien der Schule von Gustave Eiffel folgend, errichtet wurde. Die Konstruktion, die in Form eines Viaduktes von der Bahnstation zum Hafen führt, diente bis in die 1970er Jahre dazu, Schiffe mit den per Bahn ankommenden Erzen aus der Mine von Alquife beladen zu können. Nachdem die Konstruktion nicht mehr benutzt wurde, war ihr Abriss im Gespräch, doch schließlich wurde sie zum Industriedenkmal erklärt und kann heute nach Voranmeldung besucht werden.

Museumsangebot

Obwohl Almería hinsichtlich seines Museumsangebot nicht mit Städten wie Málaga und Sevilla mithalten kann, gibt es auch hier interessante Dinge zu sehen. So befindet sich das andalusische Fotografiezentrum, das immer mehrere Ausstellungen beherbergt, in Almería. Sehenswert ist auch das dem Luthier Antonio de Torres gewidmete Gitarrenmuseum, in dem man alles über die spanische Gitarre erfahren kann. An diesem Thema Interessierte können zudem die ehemalige Wohnung und Werkstatt von De Torres besuchen, in der die Werkzeuge und einige Gitarren des Instrumentenbauers ausgestellt werden.

Das Museo Doña Pakyta fällt vor allem wegen seiner ungewöhnlichen Architektur, die man eher in Nordspanien als in Andalusien vermuten würde, auf. Das auch als 'La casa vasca' (das baskische Haus) bekannte Gebäude, das der Stadt von Francisca Díaz Torres‚ 'Doña Pakyta' für kulturelle Zwecke vererbt wurde, beherbergt nun Werke von Künstlern Almerías.

Kunstschule

Ein architektonisches Kleinod ist auch die Kunstschule Almerías. Das Ende des 19. Jahrhunderts im klassizistischen und neogotischen Stil errichtete Gebäude hat in seinem Innenhof den Kreuzgang des früheren Klosters Santo Domingo aus dem 15. Jahrhundert bewahrt.

Bei einem Bummel durch Almería sollte man auch die von Saulengängen gesäumte Plaza de la Constitución besuchen. Der als Plaza vieja bekannte Platz diente in der muslimischen Epoche als Souk und beherbergt das Rathaus sowie ein beeindruckendes Monument an die liberalen Märtyrer, die sich gegen den Absolutismus auflehnten und 1812 hingerichtet wurden. Auch die Puerta de Purchena, wo sich ehemals die alte Stadtmauer und eines der Eingangstore Almerías befand, ist aufgrund seiner schmucken Bürgerhäuser und Paläste aus dem 19. Jahrhundert einen Besuch wert.

Und dies ist nur eine Auswahl von Sehenswürdigkeiten einer Stadt, die völlig zu unrecht nur selten in den touristischen Routen Andalusiens Beachtung findet.

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