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MARCUS KRÄHNKE
LUCAINENA DE LAS TORRES.
Mittwoch, 2. April 2025
Wandern oder Radeln auf stillgelegten Bahnstrecken – das ist spanienweit mittlerweile auf mehr als 3.000 ehemaligen Bahnkilometern möglich. Durch ihre ursprüngliche Bestimmung bedingt bestechen die 'Vías Verdes' (Grüne Wege) genannten Strecken zumeist durch eine großzügige Breite und relativ geringe Steigungen, weshalb sie auch für Ungeübte und teilweise sogar für Menschen mit eingeschränkter Mobilität geeignet sind.
Die in der Provinz Almería gelegene 'Vía Verde de Lucainena de las Torres' ist mit ihren rund 15,5 Kilometern Länge, auf denen sie einen Höhenunterschied von etwa 300 Metern überwindet, auch für Wanderer in weniger als einem Tagesmarsch zu bewältigen, mit dem Rad ist die Strecke in weniger als einer Stunde reiner Fahrtzeit zurückzulegen – vorausgesetzt, Sie nehmen die abschüssige Richtung von Lucainena nach Venta del Pobre.
Die wenigsten Ausflügler jedoch wollen einen Geschwindigkeitsrekord aufstellen, sondern vielmehr die Landschaft genießen, sodass Sie auch als Radfahrer eher mehrere Stunden einkalkulieren sollten. Des Weiteren sei gerade jetzt im Sommer empfohlen, die Mittagsstunden zu meiden oder die Tour eher für den Spätsommer oder frühen Herbst zu planen, da der Weg kaum schattenspendende Elemente bereitstellt.
Die Trasse dieses 'grünen Wegs' liegt inmitten der Sierra Alhamilla und wurde zwischen 1896 und 1942 von der 'Compañía Minera Sierra Alhamilla' und, ab 1931, vom spanischen Staat betrieben, um Rohstoffe und Erzeugnisse aus dem Bergbau und der Kalkbrennerei in den 36 Kilometer entfernten Küstenort Agua Amarga zu befördern; am dortigen Umschlagplatz wurde das Material dann auf Schiffe verladen. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges warf der Betrieb gute Gewinne ab, bekam danach aber auch die Krise der Eisenindustrie zu spüren. Nach dem Spanischen Bürgerkrieg wurde die Bahnlinie noch einmal grundüberholt, doch nur wenig später stellten die Betreiber fest, dass die Minen ausgeschöpft waren – 1942 wurde der Betrieb ganz eingestellt und alle metallenen Elemente (Schienen, Brücken etc.) abgebaut.
Auch die fehlenden rund 20 Kilometer von Venta del Pobre bis Agua Amarga sollen in den kommenden Jahren zur Vía Verde ausgebaut werden; die bis jetzt nutzbaren 15,5 Kilometer setzen sich im Prinzip aus drei Teilstücken, je etwa 5 Kilometer lang, zusammen: Bis zum Cortijo las Tejas, kurz hinter der Rambla Honda, ist der Weg als Wander- und Radweg konzipiert; von dort bis zum Puente del Molinillo ist etwas mehr Vorsicht angesagt, denn dieser Abschnitt ist auch für den normalen Straßenverkehr freigegeben (wobei das Verkehrsaufkommen sehr gering ist); die letzte, 'Camino Natural de Lucainena de las Torres a Agua Amarga' genannte Etappe ist dann wieder ein reiner Wander- und Radweg.
Lucainena de las Torres selbst gehört seit 2013 zum Netzwerk 'Los pueblos más bonitos de España' (Die schönsten Dörfer Spaniens) und ist an sich schon einen Besuch wert. Es ist ein regionaltypisches weißes Dorf mit knapp 600 Einwohnern und einer wunderschönen Aussicht über weite Teile der Sierra. Sehenswert sind vor allem das Keramikmuseum und die acht Kalköfen, die etwas außerhalb liegen und recht gut erhalten sind. Für einen Kurztrip bietet sich an, nur den ersten Abschnitt der Vía Verde hin und zurück zu begehen und den Nachmittag in Lucainena zu verbringen.
Dieser erste Teil beginnt direkt am Ortseingang von Lucainena. Dort, am Bahnhäuschen, gibt es auch einen Infostand und die Möglichkeit, Fahrräder zu leihen – allerdings nur mit Voranmeldung (siehe Kasten). Mit leichtem Gefälle führt der Weg zunächst an diversen Obst- und Gemüsegärten und vereinzelten Feriengrundstücken vorbei und ein Blick zurück bietet ein wunderschönes Panorama des Dorfes mit dem Berg im Hintergrund.
Auf der Höhe des Klärwerks gilt es eventuell, kurz die Luft anzuhalten – danach ist aber wieder freies Durchatmen angesagt. Links des Weges ist stets ein zumeist ausgetrocknetes Flussbett zu sehen, das aber einen intensiveren Blick lohnt, denn unter anderen Tierarten sind dort, zumeist versteckt im Gebüsch, mehrere Rebhuhnkolonien zu entdecken. Und auch Lerchen und Raben sind häufig zu sehen. An den Hängen rechts des Weges geben sich mit ein wenig Glück Steinböcke ein Stelldichein.
Nach etwa 2,5 Kilometern lädt ein Rastplatz mit Bänken unter schattenspendendem Bewuchs und einem Trinkbrunnen (an den man allerdings keine kulinarischen Ansprüche stellen sollte) zum gemütlichen Verweilen ein. Die weitere Umgebung ist geprägt von Olivenhainen und Espartogras; auffällig ist, dass die Landschaft zunehmend trockener wird. Auf der Höhe der Rambla Honda ist linkerhand ein verlassen wirkender Weiler, El Saltador; zu sehen, kurz danach dann der Cortijo de las Tejas mit seiner von Palmen umstandenen Ruine einer ehemaligen Wassermühle.
Dort vereinen sich dann auch Vía Verde und gemeine öffentliche Straße. Wirklichen Verkehr gibt es dort kaum, doch die Straße ist sehr schmal, so dass man sich mit dem Gegenverkehr durch Blicke und Gesten verständigen muss. Auf der Höhe des Puente de la Rafaela geht es dann kurz runter ins (natürlich trockene) Flussbett – die Brücke, die bei der Stilllegung der Bahnlinie sämtlicher metallener Elemente entledigt wurde, wird derzeit restauriert; bis dahin ist dieser kleine Ab- und Aufstieg in Kauf zu nehmen.
Bald darauf führt die Trasse, die seit der Brücke links des Flussbettes verläuft, durch den einzigen, etwas mehr als 80 Meter langen Tunnel dieser Vía Verde, dessen LED-Beleuchtung sich beim Durchqueren automatisch einschaltet. Im Tunnel selbst lohnt ein Blick nach oben, denn dort haben viele Vögel ihre Ruheplätze eingerichtet. Nach dem Tunnel ist die Landschaft zunehmend felsig und zerklüftet und es ist ein wenig Aufmerksamkeit angebracht, denn in Richtung Flussbett geht es steil (und tief) bergab!
Die 2019/2020 auf den ursprünglichen Pfeilern wiedererrichtete Brücke 'Puente del Molinillo' (ihr Name rührt von einer ehemals in der Nähe existierenden Wassermühle) ist eine imposante Stahl-Holz-Konstruktion, die zum einen die Trasse von der linken auf die rechte Seite des Flussbettes führt und zum anderen das Ende des von Radfahrern und Wanderern auf der einen, dem motorisierten Verkehr auf der anderen Seite gemeinsam genutzten Abschnitts darstellt.
Während motorisierte Fahrzeuge ins Flussbett geleitet werden, kommen die Ausflügler in den Genuss der spektakulären Aussicht über die trockene Schlucht.
Im weiteren Verlauf geht es rechts des Weges zunächst noch mehr oder minder steil bergauf, weshalb vor allem Radfahrer aufpassen müssen, denn (nicht nur) dort können Steinböcke unvermittelt den Weg kreuzen (so ist es uns passiert). Etwa eineinhalb Kilometer nach der Molinillo-Brücke führt die Trasse über einen Holzsteg und das Gelände wird weitläufig. Die letzten Kilometer bis zur Venta del Pobre geht es dann zwischen Äckern und Feldern, Gewächshäusern und Wasserreservoirs hindurch; dieser finale Abschnitt ist gleichzeitig der mit dem größten Gefälle.
Die Venta del Pobre ist ein für seine exquisite Küche bekannter Gasthof und Rastplatz direkt an der A-7 – nach erfolgreich zurückgelegter Strecke werden die Meisten einen derart kulinarischen Abschluss der Tour zu schätzen wissen.
Wer vorher ein zweites Fahrzeug an diesem Rastplatz geparkt und nach dem Essen noch Lust auf mehr hat, dem sei ein Besuch des Umschlagplatzes in Agua Amarga ans Herz gelegt. Dazu fährt man von der Venta del Pobre über die N-341 (auf der anderen Seite der A-7) Richtung Carboneras und biegt nach wenigen Kilometern auf die AL-5106 nach Agua Amarga ab. Dort angekommen, fährt man nordöstlich wieder aus dem Ort heraus Richtung Carboneras; nach wenigen Kilometern erreicht man die Ruinen des Verladeplatzes, die auf einer Klippe östlich des Ortes liegen.
Website zu dieser Vía Verde: https://viasverdes.com/itinerarios/lucainena/
Buslinie nach Lucainena: Der Alsa-Überlandbus von Almería nach Murcia macht Station in Lucainena. Weitere Info zu Abfahrtzeiten und Preisen unter www.alsa.es.
Praxistipp: Wer die Möglichkeit hat, mit mehreren Fahrzeugen (ggf. zum Fahrradtransport geeignet) anzureisen, kann eines davon am Zielpunkt abstellen. Ein Shuttleservice wird von offizieller Seite leider nicht angeboten.
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