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Spektakulär liegt das Kloster von Montserrat in den gleichnamigen Bergen. FOTOS: MANUEL MEYER
Tausend Jahre Montserrat

Tausend Jahre Montserrat

Jubiläumsjahr. Das Bergkloster gilt als kulturelle und religiöse Wiege Kataloniens – 2025 feiert es sein 1.000-jähriges Bestehen

Donnerstag, 2. Januar 2025

Die aufgehende Sonne taucht das Wolkenmeer unten im Tal in ein weiches, friedliches Licht. Der atemberaubende Panaromablick vom katalanischen Bergkloster Montserrat hinab ins Hinterland der spanischen Mittelmeerküste Costa Brava hält selbst einige Benediktineräbte auf ihrem Weg zur Morgenmesse auf, um noch schnell ein Erinnerungsfoto zu machen. Viele der rund 100 Äbte sind zum ersten Mal in dem Bergkloster, das wie ein Adlernest in 720 Meter Höhe spektakulär in einer bizarren Felswand hängt.

Sie kommen von allen Kontinenten der Welt. Eigentlich versammeln sich die Benediktineroberen alle vier Jahre zum Internationalen Kongress in ihrem Hauptsitz im Kloster Sant' Anselmo in Rom. Doch Anfang September kamen sie zum ersten Mal in ihrer Ordensgeschichte außerhalb Roms in dem rund 40 Kilometer nordwestlich von Barcelona liegenden Kloster von Montserrat zusammen. Der Grund für die besondere Zusammenkunft: «Wir feiern ja schließlich nicht alle Jahre unseren 1.000. Geburtstag», scherzt Bernat Juliol, Prior von Montserrat und Leiter des Jubiläumsprogramms.

Eigentlich startete das Jubiläumsjahr des 1025 gegründeten Klosters erst jetzt am 1. Januar. Aber die Benediktiner entschieden sich zu Ehren ihrer Jungfrau von Montserrat, bereits am 8. September mit dem Jubiläum zu beginnen. Es ist ihr Festtag, nachdem Papst Leo XIII. die Muttergottes von Montserrat im September 1881 zur Schutzpatronin Kataloniens erklärte.

Ursprünge des Klosters

Die schwarze Madonna, die aufgrund ihrer Farbe auch liebevoll 'La Moreneta', die 'kleine Braune' genannt wird, ist der Grund, warum die Mönche ihr Kloster überhaupt hier oben in den Bergen von Montserrat errichteten. Die heutige Figur stammt zwar aus dem 12. Jahrhundert. Aber bereits um 880 nach Christus fanden Hirten der Legende nach hier in einer Felsgrotte eine schwarze Madonnenstatue. Sie wollten die Figur ins Tal zum Bischof bringen. Doch plötzlich wurde sie so schwer, dass sie nicht mehr fortbewegt werden konnte. Das sah man als Zeichen, dass die Muttergottes an diesem Ort bleiben wollte, erklärt Prior Bernat Juliol.

An der Stelle der Felsgrotte wurde eine Andachtskapelle errichtet. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Pilgerscharen kamen. Es war jedoch ein schwer zugänglicher Weg. Zudem befindet sich die heute noch zugängliche Grotte mit der Kapelle gefährlich nah an einem steilen Abhang und bot keinen Platz, ein größeres Gebäude zu bauen. So entschied sich der damalige Benediktinerabt Oliba, das Kloster 1025 wenige hundert Meter weiter und etwas höher auf einem von spitzen Felsnadeln umgebenen Plateau zu errichten. Damit nahmen die Pilgerscharen schnell zu. Im 15. Jahrhundert musste die Anlage bereits erweitert werden. 1522 übernachtete auch der Heilige Ignatius in Montserrat. Nach seiner Beichte vor der Jungfrau von Montserrat legte er in dem Kloster sein Schwert nieder, gab sein Leben als Ritter auf und gründete wenig später im nahe Manresa den Jesuitenorden. Eine Kopie seines Schwerts wird heute noch in der Basilika ausgestellt, nachdem man das Original vor einigen Jahrzehnten den Jesuitenbrüdern schenkte.

So kreuzen sich heute in Montserrat der Ignatius- und der Jakobsweg. Das Gebirgskloster ist nach Santiago de Compostela der bedeutendste Wallfahrtsort in Spanien, wird jährlich von 2,5 Millionen Menschen besucht. Das Kloster und das Gebirge, das wegen seiner bizarren Form auch Montserrat – 'zersägter Berg' genannt wird – sind zweifellos ein magischer Ort.

Viele Mythen und Legenden ranken sich um Montserrat. «Sogar Richard Wagner soll sich in seiner Parzival-Oper in Montserrat für den Munsalvaesche inspiriert haben, der Burg, in welcher der Heilige Gral versteckt ist», erklärt Prior Juliol. Das führte sogar Hitlers Ahnenforscher und SS-Chef Heinrich Himmler höchstpersönlich 1940 nach Montserrat, weil sie hier den Kelch des letzten Abendmahls vermuteten. Himmler soll in Jesus Christus eine Art 'Ur-Arier' gesehen haben und war überzeugt von den Kräften des Heiligen Grals, um den Weltkrieg gewinnen zu können.

Symbol des Katalanismus

Dass Montserrat zu einem christlichen Nationalheiligtum wurde, hat neben den Pilgermassen aber auch mit dem Klostergründer selber zu tun, der das Kloster und das Sanktuarium zur religiösen und kulturellen Wiege Kataloniens werden ließ, erklärt Agustí Colomines. Abt Oliba (971-1046) war nämlich kein gewöhnlicher Benediktinermönch, sagt der Historiker von der Universität Barcelona. Er war gleichzeitig Abt von drei verschiedenen Benediktinerklöstern in Katalonien, Bischof von Vic und stammte aus der Dynastie der Grafen von Barcelona. «Damit hatte das Kloster bereits seit dem Mittelalter großen politischen Einfluss in Katalonien», so Colomines.

Nach der Zerstörung des mittelalterlichen Klosters durch die französischen Besatzungstruppen Napoleons 1811 wurde es erst Mitte des 19. Jahrhunderts wieder neu errichtet. Im Zuge der damaligen 'Renaixença', der kulturellen und sprachlichen Wiedergeburt Kataloniens, verwandelte sich Montserrat zum Symbol eines neu erwachenden nationalen Selbstwertgefühls der bis heute nach Unabhängigkeit strebenden Region. Bücher und Zeitschriften wurden in der katalanischen Landessprache gedruckt. Dabei spielte der bereits 1499 gegründete Verlag des Klosters eine wichtige Rolle. Aber auch die Escolania de Montserrat, die zu den ältesten Chören und Musikschulen Europas gehört. «Die erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 1307, obwohl der Knabenchor mit Sicherheit älter ist», versichert der Escolania-Leiter Efrem de Montellà.

Dem Diktator gehuldigt

Dann brach 1936 der dreijährige Spanische Bürgerkrieg aus. Das Kloster wurde zum Militärhospital der republikanischen Truppen umfunktioniert. Die anarchistischen Soldaten töteten dabei 23 Mönche, die heute als Märtyrer der katholischen Kirche gelten und im Sitzungsaal des Klosters in Wandmalereien verewigt sind. Als 1939 schließlich der faschistische Putsch-General Francisco Franco den Krieg gewann, jubelten auch die Benediktiner in Montserrat, bereiteten dem Diktator, der Spanien bis zu seinem Tod 1975 mit eiserner Hand regierte, sogar einen Empfang mit allen Ehren.

Widerstand gegen Franco

Doch schon bald wurden sich die Äbte bewusst, dass es sich um ein totalitäres Regime handelte, das Menschenrechte missachtete. Politisch Andersdenkende wurden inhaftiert, gefoltert und sogar ermordet. General Franco unterdrückte sämtliche Autonomiebestrebungen, verbot die Benutzung der katalanischen Sprache.

Bereits in den 1940er Jahren fing das Kloster deshalb an, sich über diese Anweisungen hinwegzusetzen, hielt die Messen wieder auf Katalanisch ab. In den 1950er-Jahren bringt es auch seine ersten Zeitungen und Bücher wieder in katalanischer Sprache heraus. Die Mönche deklarierten viele ihrer Publikationen wie die Kulturzeitschrift 'Serra d'Or' kurzerhand als religiös oder historisch, da diese nicht der staatlichen Zensur unterlagen.

Zum Ende der Diktatur wagten die Mönche von Montserrat den offenen Konflikt mit der Franco-Diktatur. 1960 setze sich der damalige Abt Aureli María Escarré dafür ein, dass eine eigentlich von der Regionalregierung abgesetzte Ausstellung des Franco-Gegners Pablo Picasso doch noch in Barcelona stattfinden konnte, wofür der Künstler dem Kloster ein Werk stiftete, das heute noch im Kloster-Museum hängt.

In einem Interview mit der französischen Tageszeitung Le Monde im November 1963 erklärte der damalige Abt sogar, dass das Franco-Regime sich aufgrund seiner Taten nicht als christlich bezeichnen dürfe. Noch nie hatte ein spanischer Kirchenvertreter so massiv Kritik am Regime geübt. Schließlich musste Escarré ins Exil nach Frankreich flüchten.

Das Kloster begann, politisch Verfolgten Unterschlupf zu geben. Am 12. Dezember 1970 versammelten sich in Montserrat sogar 300 katalanische Intellektuelle, darunter renommierte Künstler wie Joan Miró oder Antoni Tàpies, um öffentlich in einem Manifest einen demokratischen Staat zu fordern. Medien aus aller Welt berichteten. Der Diktator tobte. «Mit dieser politischen Geste wurde Montserrat endgültig zum Hort des Widerstands», versichert Historiker Agustí Colomines.

Heute sorgt Montserrat erneut für gesellschaftspolitische Verstimmungen – aber im negativen Sinne und abgesehen von den angeblichen sexuellen Missbrauchsfällen an Messdienern und Chorschülern: «Aufgrund seiner historischen Bedeutung und seiner Geschichte instrumentalisieren Kataloniens separatistischen Kräfte das Kloster heute für ihre politischen Ziele und nicht selten spielen die Äbte dabei freiwillig mit», meint Elda Mata, Präsidentin der anti-separatistischen katalanischen Zivilbewegung SCC.

Innerkirchlicher Zwist

Das stimmt in Teilen. Die Unabhängigkeitsbestrebungen der vergangenen 15 Jahre entzweiten sogar die Kirche, führten zu heftigen Debatten zwischen der spanischen Bischofskonferenz und Kataloniens Bischöfen. Wie diese sprach sich auch Abt Josep Maria Soler im Vorfeld des illegalen Unabhängigkeitsreferendums vom 1. Oktober 2017 für das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen als Grundrecht aus. «Wir sollten den Wunsch der Bevölkerungsmehrheit zumindest kennen», meint der Abt von Montserrat. Diese Worte sorgten spanienweit für Empörung – vor allem auch unter den gläubigen Katholiken in Katalonien, die gegen die Abspaltung von Spanien sind und Montserrat 'boykottierten'. Unterdessen veranstalteten Unabhängigkeitsbefürworter öffentliche Akte vor dem Kloster, wurden auch vom Abt begrüßt.

Natürlich würden Ordensmitglieder mit der Unabhängigkeitsidee sympathisieren. «Aber der damalige Abt Soler hat sich damals lediglich für das Selbstbestimmungsrecht, nicht für die Unabhängigkeit ausgesprochen. Wir wollen ein Ort des Dialogs sein, um Kataloniens gespaltene Gesellschaft wieder zusammenzubringen», versichert Prior Bernat Juliol. Das will man auch die 12 Monate des nun beginnenden Jubiläumsjahres mit Konzerten, Ausstellungen, Tänzen und natürlich mit religiösen Events zeigen.

Ausstellungen, die teilweise auch in Barcelona stattfinden, sollen den Menschen die Geschichte, die Traditionen, das Klosterleben und die Werte der Benediktiner übermitteln. In diesem Jubiläumsjahr wird der Knabenchor über 438 Male in Montserrat auftreten. Aber auch außerhalb des Klosters – unter anderem im März in Regensburg, wo die Domspatzen ihr 1050-jähriges Jubiläum mit Gastchören feiern. Am 30. Oktober, dem Todestag des Klostergründers Oliba, sind alle Geistlichen Kataloniens zu einem großen Treffen nach Montserrat einladen.

Vielseitiges Kulturangebot

Selbstredend wird im Klostermuseum auch eine Kunstausstellung über die verschiedenen künstlerischen Darstellungen der Heiligen Jungfrau von Montserrat über die Jahrhunderte stattfinden. Das Museum gehört zu den wichtigsten Kataloniens und zeigt Werke verschiedenster Epochen – von Caravaggio und El Greco über Monet, Degas und Pissarro bis hin zu modernen Künstlern wie Pablo Picasso, Salvador Dalí, Georges Braque, Le Corbusier oder Sean Scully. Doch die wenigsten Besucher wissen das. «Gerade einmal 5 Prozent aller Klosterbesucher kommen in unser Museum», bedauert Museumsdirektor Mönch Xavier Caballé. Ein weiterer Grund, im Jubiläumsjahr in das wunderschöne Gebirgskloster zu fahren.

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