Wo der Wein die Zeit konserviert: die Antigua Casa de Guardia in Málaga
Ein Besuch in Málagas ältester Bodega heißt Eintauchen in vergangene Zeiten
SDA
Málaga
Samstag, 15. November 2025
Die Tür ist schwer, das Holz dunkel vor Patina. Wer sie aufstößt, tritt ein in eine andere Zeit. Ein warmer Duft steigt in die Nase – süßer Wein, altes Holz, ein Hauch Meer. Das Licht fällt schräg durch die Fenster, verliert sich auf einer langen Theke aus Mahagoni, hinter der mächtige Fässer wie eine stumme Parade aufgereiht stehen. Auf jedem Fass ein Schild, handgeschrieben: Moscatel, Pajarete, Pedro Ximénez.
Hier, in der Antigua Casa de Guardia, fließt der Alltag langsamer. Man trinkt im Stehen, lehnt an der Theke, sieht dem Kellner zu, wie er den Wein mit einer geschmeidigen Bewegung zapft. Kein Computer, kein Bon – nur Kreide. Mit geübtem Schwung notiert er den Betrag direkt auf das Holz, als wäre es selbstverständlich, dass Zahlen wieder verschwinden dürfen.
Das Stimmengewirr ist leise, gedämpft, vertraut. Ein alter Mann nippt an seinem Glas, Touristen beugen sich über Stadtpläne, zwei Handwerker lachen heiser. Jeder, der hier steht, scheint ein wenig besänftigt – vom Wein, vom Rhythmus, von dieser seltsamen Unaufgeregtheit. Inmitten der geschäftigen Alameda Principal ist die Bodega ein Ruhepol, eine kleine Insel aus Geschichte und Geruch.
Die Weine selbst sind flüssige Erzählungen. Der Moscatel de Alejandría, hell und duftig, schmeckt nach Rosinen und Sonne. Der Pajarete 1908 ist dunkler, ernster, mit einem bittersüßen Nachhall, der an verbrannten Zucker erinnert. Und irgendwo zwischen den Fässern ruht der Hausvermut, den man trinkt, bevor man weiterzieht – oder bleibt.
Die Casa de Guardia ist kein Museum, sondern ein Organismus. Sie atmet. Ihre Mauern sind nicht auf Erhalt getrimmt, sondern auf Erinnerung. Seit 1840 steht sie im Herzen Málagas, gegründet von José de la Guardia, einem Winzer, der den süßen Wein der Region über die Grenzen Andalusiens hinaus bekannt machte. Königin Isabel II. trank ihn am Hof, und die Stadt ehrte ihn, indem sie ihn in ihre Seele aufnahm. Später wechselte die Bodega den Besitzer, zog 1899 an ihren heutigen Platz – doch ihr Wesen blieb unverändert.
Wer heute durch die Tür tritt, begegnet dieser Geschichte unbewusst. Sie steckt in den Fässern, im Kreidestaub auf der Theke, im Lächeln der Kellner. Man könnte glauben, selbst der Wein reife hier nicht nur im Holz, sondern auch in der Zeit.
Am späten Nachmittag, wenn das Licht weich durch die Fenster rinnt und das Stimmengewirr anschwillt, bekommt die Casa einen eigenen Puls. Die Gläser klingen, jemand bestellt „otro Moscatel«, und draußen rauscht die Stadt vorbei – als wäre sie ein anderer Ort, ein anderes Jahrhundert.
Und wenn man hinaus auf die Alameda tritt, leicht benommen vom Süßwein und der Langsamkeit, dann trägt man ihn mit sich – den Geschmack von Málaga, von Salz und Traube, von Zeit, die sich weigert zu vergehen.