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Manuel Cortés mit dem Radio, seine wichtigste Informationsquelle während der 30 Jahrein seinem Versteck. SUR
Blick in die Geschichte

Die unglaubliche Geschichte des 'Maulwurfs' von Mijas

Manuel Cortés Quero, der letzte republikanische Bürgermeister von Mijas, lebte während der Franco-Diktatur 30 Jahre versteckt in einem kleinen Verschlag und einem hinter einem Schrank versteckten Zimmer ohne Tageslicht

Fernando Alonso

Mijas

Samstag, 18. Oktober 2025

Manuel Cortés Quero (1906-1991) war der letzte republikanische Bürgermeister von Mijas, regierte den Ort von März bis November 1936. Als die nationalistischen Truppen auf die Provinzhauptstadt zusteuerten, beschloss er, sich gemeinsam mit Frau und ihrer gerade geborenen Tochter in die Wälder zu schlagen. Als sich das ständige Verstecken und Herumirren mit der Familie im Schlepptau als schwierig erwies, beschloss Cortés, die Flucht allein fortzusetzen. Zum Abschied sagte er seiner Frau: «Juliana, du hast nie Politik gemacht. Dir werden sie nichts tun.» Er gab ihr 50 Pesetas, einen Kuss und ging. Die Richtung: Almería. Es war der Beginn der Geschichte des 'Topo de Mijas' – des 'Untergetauchten', oder wörtlich des 'Maulwurfs von Mijas'.

Cortés wurde zu einem der 600.000 Soldaten, die den Krieg verloren. Schließlich kehrte er aus Valencia in seinen Heimatort zurück, tauchte überraschend im Haus seines Vaters auf. Damals war er 34 Jahre alt. Es war der 17. April 1939, genau 16 Tage, nachdem der berühmte Kriegsbericht veröffentlicht worden war, der alle Militäroperationen für beendet erklärte. Cortés war sich bewusst, dass man ihn ins Gefängnis stecken, wenn nicht gar erschießen würde, sollte man ihn finden. So versteckte er sich zwei Jahre lang in einem unterirdischen Verschlag, aus dem er nur des nachts herauskam, um sich die Beine zu vertreten und eine Zigarette zu rauchen. Die Angst, entdeckt zu werden, war so groß, dass seine Frau sogar fürchete, der Zigarettenrauch könnte ihn verrraten…

Schließlich mietete Juliana ein Haus in der Calle Capitán Cortés. Unter der Treppe gab es dort Stauraum, der in früheren Jahren dazu gedient hatte, eine Christusfigur des Sagrado Corazón de Jesús aufzubewahren. Sie ließ den Verschlag vergrößern, um mehr Platz für ihren Ehemann zu schaffen. Und dort, hinter der Christusfigur, sollte Cortés noch einmal weitere zehn Jahre im Verborgenen leben. Nur Juliana und ihre Tochter María wussten um ihren dritten Mitbewohner. In jenen Jahren wurde das Haus mehrmals von der Franco-Polizei durchsucht. Wenn die Beamten den Verschlag öffneten und ihnen die Jesus-Figur entgegenblickte, schlossen sie die Tür gleich wieder und waren zufrieden.

Es waren sehr harte Jahre für die Familie. Juliana versuchte, sie alle als Händlerin über Wasser zu halten, lief jeden Tag zu Fuß bis nach Málaga, um dort Eier zu verkaufen. Im Jahr 1951 konnte die Familie ein Haus in derselben Straße kaufen. Cortés musste sich als alte Frau verkleiden, um unbemerkt in das neue Zuhause zu gelangen. Auch hier war bereits ein Unterschlupf für ihn vorbereitet: Im zweiten Stock gab es hinter einer Schranktür ein kleines Zimmer. Zwar musste Cortés noch immer ohne natürliches Tageslicht auskommen – sein Zimmer hatte kein einziges Fenster –, dennoch war das Leben für ihn jetzt ein wenig angenehmer. Er hörte leise Radio, las die Zeitung und machte Körbe aus Esparto-Gras, womit er auch zum Unterhalt der Familie beitrug.

Manuel Cortés, der 'Maulwurf' von Mijas. SUR

Doch auch diese Zeit war hart. So musste sich Cortés schmerzende Zähne selbst ziehen – insgesamt sollten es neun oder zehn werden. Wurde er krank, ging Juliana zum Arzt und simulierte die gleichen Symptome, unter denen ihr Mann litt, um die richtigen Medikamente verschrieben zu bekommen. Einmal soll Cortés zu ihr gesagt haben: «Wenn ich sterbe, sagt nichts, begrabt mich einfach im Innenhof.»

Der schlimmste Moment für Cortés aber war die Hochzeit seiner Tochter im Jahr 1960, die ohne ihn stattfinden musste. Selbst sein Schwiegersohn Silvestre hatte erst in den Flitterwochen von der verborgenen Existenz seines Schwiegervaters erfahren.

Neun Jahre später, am 28. März 1969, hörte Cortés in den Radionachrichten, wie der damalige Informationsminister, Manuel Fraga, ankündigte, dass Franco alle während des Krieges begangenen Verbrechen verzeihen würde. Cortés wartete, bis er die Nachricht auch im offiziellen Staatsanzeiger BOE nachlesen konnte. Dann fuhr er in Begleitung des damaligen Bürgermeisters von Mijas, Miguel González Berral, nach Málaga, um dort auf der Guardia-Civil-Wache vorstellig zu werden. Der diensthabende Oberstleutnant zeigte sich wortkarg: «Sie sind frei», waren die einzigen drei Worte, die er zu Cortés sagte.

Nur wenige Tage später besuchten der Reporter Juan Mayorga und der Fotograf Salvador Salas beide vom SUR, Cortés in Mijas. Sie fanden den einstigen Bürgermeister des Ortes in einer Bar, wo er es sich mit ein paar Freunden und Familie bei einem Gläschen Wein und frittierten Sardellen gut gehen ließ. Ein gänzlich neues Gefühl für Cortés, der selbst vergessen hatte, wie ein Spaziergang durch die Straßen anmutet.

Und auch an ihn musste man sich gewöhnen. Seine Nichte etwa, die ihn während seiner 'Gefangenschaft' im Hinterzimmer als Großvater, aber auch als eine Art Gespenst wahrgenommen hatte. Jemand, der immer im Haus war, über den man aber mit niemanden reden durfte.

Für Cortés gab es in jener Zeit viele Premieren, eine davon dürfte Alleinstellungscharakter haben: Mit 64 Jahren wurde er ins Standesamt von Mijas als 'Neugeborener' eingetragen. Zweifellos genau das, was er nach 30 Jahren in seinem Versteck empfunden haben mag.

Trotz drei Jahrzehnten als politisch Verfolgter sagte Manuel der Politik nie ab. So gründete er denn auch die PSOE-Ortspartei in Mijas und stand ihr bis zu seinem Tod im Jahr 1991 vor.

Der 'Maulwur' in Film und Literatur

Auch wenn erzählt wird, dass die Guardia Civil von Mijas sehrwohl über das Versteck des ehemaligen republikanischen Bürgermeisters Bescheid wusste und einfach wegschaute, so ist die Geschichte eines Menschen, der 30 Jahre lang im Verborgenen leben musste, dennoch unglaublich. Und faszinierend. So sehr, dass nur zwei Jahre nach der 'Begnadigung' von Manuel Cortés Quero im Zuge einer allgemeinen Amnestie durch Diktator Franco ein Film mit dem Titel 'El hombre oculto' (Der verborgene Mann) über ihn gedreht wurde. 1972 verfasste der Historiker Ronald Fraser das Buch 'Escondido' (Versteckt), dessen Protagonist ebenfalls Manuel Cortés war. 1977 dann schrieben Manuel Leguineche und Jesús Torbado einen Essay über ihn mit dem Titel 'Los topos' (Die Untergetauchten). Neben zahlreichen Dokumentarfilmen stand er auch im Mittelpunkt des 2019 gedrehten Films 'La Trinchera infinita' (Der unendliche Schützengraben), dargestellt von Antonio de la Torre. Von dem jahrelangen Versteck von Manuel Cortés gibt es heute eine Nachbildung im Historisch-Ethnologischen Museum seines Heimatortes. Das Haus, in dem er so viele Jahrzehnte Unterschlupf gefunden hatte, war kurioserweise das ehemalige Rathaus der Stadt, wo er als letzter republikanischer Bürgermeister regiert hatte.

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