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Flavio Casale hat am Strand mit seinem Fahrrad mit Anhänger und Werbesegel sofort Kunden gewonnen. SDA
«Lebensfreude ist wichtiger als Arbeiten zum reinen Geldverdienen»

«Lebensfreude ist wichtiger als Arbeiten zum reinen Geldverdienen»

Flavio Casale ist vor einem Jahr aus der Schweiz nach Spanien ausgewandert und arbeitet in Fuengirola als selbstständiger Personal Trainer

NICOLAS HOCK

FUENGIROLA.

Donnerstag, 9. Januar 2025

«Ich bin auf der richtigen Schiene und habe Spaß an meiner Arbeit», sagt Flavio Casale in perfektem Hochdeutsch mit Schweizer Akzent. Der 48-Jährige aus der süditalienischen Region Basilicata, der rund zehn Jahre in Lugano in der Schweiz gelebt hat, ist einer der deutschsprachigen Spanien-Auswanderer, für die es hier beruflich als Selbstständige kaum besser hätte laufen können. Als Personal Trainer für Kickboxen, Boxen und Fitness gibt er vormittags Gruppen- oder Einzelklassen am Strand, nachmittags bis abends macht er dasselbe online von Zuhause aus. Dabei lebt er erst seit rund einem Jahr in seinem neuen Wohnort Fuengirola. «Das geht in Spanien alles besser, weil die Leute offener sind», meint er. «Für meine Klassen am Strand hatte ich schon im ersten Monat zehn neue Kunden, weil mich die Leute sofort angesprochen haben, als sie mich mit meinem Fahrrad mit Anhänger und Werbesegel gesehen haben.»

Schüler aus mehreren Ländern

Online gibt Flavio seine Sport-Lektionen rund 40 Schülern, die er zum Teil noch aus seiner Zeit in Lugano hat, wo er vor viereinhalb Jahren eine Ausbildung zum diplomierten Personal Trainer gemacht hat, nachdem er schon mehr als 20 Jahre lang Kickboxen und Boxen praktiziert hatte. Darunter sind Deutsche, Italiener, Schweizer, Spanier, die ins Ausland ausgewandert sind, sowie Finnen und Russen. Ebenso unterschiedlich wie die Nationalitäten sind die Motivationen, mit denen sie auf den sportlichen Italiener zugekommen sind. Eine 66-jährige Frau, so erinnert er sich, hat bei ihm im Jahr 2020 mit dem Sport angefangen, da sie Probleme mit den Knien, der Hüfte und den Armen hatte. «Die Frau habe ich online so aufgebaut, dass sie Kickboxen machen konnte und keine Schmerzen mehr hat», erzählt er.

Boxen für die Gesundheit

Obwohl Flavio auch Schüler hat, die bei ihm Kickboxen und Boxen zur reinen Selbstverteidigung lernen, fangen die meisten aus gesundheitlichen Gründen mit dem Unterricht bei ihm an. So hat er Menschen schmerzfrei gemacht, die Probleme beim Laufen und Treppensteigen, alle Arten von Sehnenentzündungen oder auch nur Kopfweh oder Migräne hatten. Er selbst hatte lange Jahre Übergewicht, aber mit Hilfe des Trainings 35 Kilo in nur einem Jahr abgenommen. «Ich war bis vor einigen Jahren auch noch Unternehmer und habe Firmen fusioniert», erklärt er. «Da gab es so viele Einladungen zum Essen, dass ich einen richtig dicken Bauch und Pausbacken hatte.»

Seinen Unterricht beginnt Flavio langsam, danach steigert er den Schwierigkeitsgrad der Übungen. Ein bis zwei Monate trainiert er dann intensiv mit den Schülern, wobei er einmal in der Woche mit ihnen zusammenkommt, und den Rest der Woche die Schüler die Übungen alleine zu Hause machen. Danach überlässt er es den Schülern, ob sie weiterhin von ihm angeleitet werden wollen. Teuer ist das Ganze nach seinen Angaben nicht. «Die Leute sparen sich durch mich das Fitness-Studio, müssen weniger zum Arzt gehen, und oft merken sie auch, dass bestimmte Medikamente und Schmerzmittels gar nicht nötig sind», sagt er. Und wenn jemand sagt, er habe wenig Geld, gibt er ihm online eine einzelne Lektion für 25 Euro, bei der er ihm die für ihn geeigneten Übungen zeigt.

Ähnlich als virtuelle Nomaden arbeiten auch Flavios Frau Maya und seine erwachsene Tochter Priscilla, die mit ihm zusammen aus der Schweiz nach Fuengirola ausgewandert sind. Maya macht online Übersetzungen, hilft Spanien-Auswanderern bei behördlichen Angelegenheiten und schreibt für ihre Kunden Bewerbungsunterlagen. Priscilla arbeitet ebenfalls als Übersetzerin und gibt Unterricht in Englisch und Spanisch, das sie in kürzester Zeit fließend sprechen gelernt hat. «Wir sind multikulti, da wir Italienisch, Deutsch, Schweizerdeutsch, Englisch und jetzt auch Spanisch sprechen», lacht der 48-Jährige.

Frau und Tochter sind ebenso wie Flavio selbstständig, und dies ist auch der Grund dafür, dass die Familie nach Spanien ausgewandert ist. «Wenn du als Selbstständiger in Italien, der Schweiz oder in Deutschland das machst, was wir machen, hast du keine Zukunft», ist er überzeugt. «In Spanien zahlst du zwar auch Umsatzsteuer, aber hier sind die Lebenshaltungskosten günstiger.»

Internationales Flair

Zuerst wussten die Drei noch gar nicht so recht, wohin sie auswandern wollten, dann fiel die Wahl unverhofft nach einem Urlaub auf Andalusien, da ihnen die Offenheit der Spanier und ihre Kultur sowie das immer gute Wetter gefallen haben. «Wir hatten uns auch andere Küstenorte angeschaut, aber Fuengirola hat uns am besten gefallen, denn es hat einen coolen, internationalen Lifestyle und ist nicht zu groß», sagt Flavio.

Kontakte zu Einheimischen hat er aufgrund seiner Arbeit schnell gefunden und ebenso ist es seiner Frau und seiner Tochter ergangen. Im Moment denkt Flavio nicht daran, irgendwann einmal wieder von der Costa del Sol wegzuziehen. «Warum sollten wir wieder auswandern?», fragt er. «Wir haben hier Wärme und Lebensfreuede gefunden. Wenn du nur arbeitest, um Geld zu verdienen und es auszugeben, dann hast du keine Lebensfreude.»

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