Spanien ergreift Initiative zur Rettung der globalen Entwicklungshilfe
Pedro Sánchez kündigt auf UN-Konferenz für Entwicklungshilfe Einhaltung der Agenda-2030-Ziele an – Experten sehen UN-Gipfel in Sevilla als vergebene Chance
Manuel Meyer
Sevilla
Donnerstag, 3. Juli 2025
Vor mehr als 60 Staats- und Regierungschefs rief Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am Mittwoch die internationale Gemeinschaft auf der vierten UN-Entwicklungshilfekonferenz in Sevilla zu mehr «Multilateralismus, Zusammenarbeit und gemeinsame Verantwortung» auf.
«In Zeiten tiefgreifender Unsicherheit und wachsender geopolitischer Spannungen», sagte Sánchez, müssten wir die Flamme der Hoffnung am Leben erhalten, um «eine bessere Welt» aufzubauen. «Es gab drastische Kürzungen bei der Entwicklungshilfe, insbesondere in diesem Jahr», beklagte Sánchez, ohne US-Präsident Donald Trump ausdrücklich zu erwähnen.
Er drängte auf die Mobilisierung von «mehr und besseren» Ressourcen für nachhaltige Entwicklung, die Reduzierung der Schuldenlast der Entwicklungsländer, die Freigabe öffentlicher Mittel und die Schaffung eines «transparenteren und gerechteren» Steuersystems, in dem Großunternehmen mehr zahlen.
Zwei von fünf Menschen auf der Welt leben in Ländern, die «mehr für die Finanzierung ihrer Schulden als für öffentliche Dienstleistungen ausgeben», kritisierte Sánchez. Deshalb «müssen wir jetzt mutig handeln», forderte Spaniens Premier und ging mit gutem Beispiel – zumindest in der Theorie – voran.
«Während andere kürzen, werden wir unser Versprechen einlösen und bis 2030 wie zuvor versprochen 0,7 Prozent unseres Bruttoinlandproduktes für Entwicklungshilfe bereitstellen», erklärte Sánchez auf dem internationalen UN-Gipfel in Sevilla, an dem neben den 60 Staats- und Regierungschefs auch mehr als 4.000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, internationalen Organisationen und Entwicklungsbanken aus fast 190 Ländern teilnahmen.
Sánchez sprach von einer schrittweisen Erhöhung des Budgets für Entwicklungshilfe, um das von den Vereinten Nationen in der Agenda 2030 angestrebten Ziel von 0,7 Prozent zu erreichen. Ob Sánchez sein Wort in den kommenden fünf Jahren hält oder halten kann, bleibt abzuwarten. Spanien liegt im internationalen Vergleich bei der Erreichung dieser Summe recht hinterher und stellt derzeit gerade einmal 0,24 Prozent seines BIP für Entwicklungszusammenarbeit bereit – ein Betrag, der im letzten Haushaltsjahr sogar noch reduziert wurde.
Parlamentsmehrheit nötig
Damit müsste Spanien in den kommenden fünf Jahren jährlich rund zehn Milliarden mehr zur Verfügung stellen. Um diesen Betrag zu erreichen, ist eine Einigung über die Genehmigung des Staatshaushalts mit einer Parlamentsmehrheit unerlässlich, was derzeit alles andere als realistisch ist.
Unterstützt von Brasilien und Südafrika schlug Spanien auf der UN-Konferenz zudem eine höhere Besteuerung großer Vermögen vor. In der sogenannten 'Verpflichtung von Sevilla' einigte man sich über die Mobilisierung öffentlicher Entwicklungsgelder, die Förderung privater Investitionen, eine verbesserte internationale Steuerkooperation sowie die Lösungen der Schuldenkrisen im globalen Süden.
Der internationalen Gemeinschaft sei in Sevilla ein «ein kraftvoller Schub für eine gerechtere Welt» gelungen, stellte in der andalusischen Hauptstadt auch Deutschlands Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan klar. Dabei ging es um nichts Geringeres als um die Rettung der globalen Entwicklungshilfe.
Oliver Hasenkamp von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) sieht das Ergebnis der UN-Konferenz weniger euphorisch: «Ein geplanter neuer globaler Finanzierungsrahmen, das Schließen der gewaltigen Finanzierungslücke bei der Umsetzung der Agenda 2030 und der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) der Vereinten Nationen wurden nicht erreicht. Auch bei der drängenden Verschuldungskrise wurden nicht die Fortschritte erlangt, die dringend notwendig wären. Insofern wurde in Sevilla eine Chance vergeben.»
Doch in Anbetracht der aktuellen geopolitischen Lage sei leider schon die Tatsache, dass sich alle Staaten – mit Ausnahme der USA, die nicht am UN-Gipfel teilnehmen wollten – überhaupt auf bestimmte Maßnahmen und Richtungen einigen konnten, ein Erfolg, auch wenn diese zu vage formuliert wurden. «Die Konferenz zeigt, dass der Multilateralismus nicht tot ist und es auch angesichts globaler Konflikte und Krisen möglich ist, dass sich ein Großteil der Staaten auf ein gemeinsames Vorgehen einigt», so Oliver Hasenkamp.
«Die große Reform bleibt mit der Verpflichtung von Sevilla aber aus. Das Dokument leitet nicht die eigentlich dringende Trendwende ein, die es gebraucht hätte. Von einer wirklich gerechten internationalen Finanzarchitektur sind wir weiterhin weit entfernt», so der Referent der DGVN im Gespräch mit dieser Zeitung.
Dabei waren sich alle der Dringlichkeit konkreter und mutiger Maßnahmen bewusst. Am Montag rief UN-Generalsekretär Antonio Guterres die teilnehmenden Staats- und Regierungschefs gleich zu Beginn der viertägigen Konferenz dazu auf, den «Entwicklungsmotor wieder anzuwerfen». Denn der ist tatsächlich mehr als ins Stottern geraten.
Vor allem unter den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels hat sich der Finanzbedarf ärmerer Entwicklungsländer aus dem 'Globalen Süden' laut jüngsten Untersuchungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa (OECD) seit 2015 um mehr als ein Drittel erhöht.
Entwicklungshilfe weltweit rückäufig
Unterdessen gehen die Budgets für Entwicklungshilfe vieler Länder im Zuge der von den USA eingeleiteten internationalen Handelskriege sowie der militärischen Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten sogar noch weiter zurück. Darunter befinden sich wichtige Geldgeberländer wie Deutschland.
Laut dem OECD-Bericht dürfte die weltweite Entwicklungshilfe 2025 mit bis zu 17 Prozent den größten Rückgang aller Zeiten erleben. UN-Generalsekretär Guterres spricht von einem immer größer werdenden Finanzloch, das nur mit jährlich zusätzlichen vier Billionen US-Dollar gestopft werden könne. Das Auseinanderklappen des Finanzlochs hat katastrophale Auswirkungen für die Ärmsten der Armen.
Vor allem die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump am Dienstag, die US-Entwicklungshilfebehörde USAID einzustampfen, wird dramatische Folgen haben. Laut einer am selben Tag veröffentlichten Studie der Fachzeitschrift 'Lancet' könnte der Rückzug der USA als größter Geldgeber der internationalen Entwicklungshilfe bis 2030 mehr als 14 Millionen Menschen das Leben kosten. Davon wären mehr als 4,5 Millionen Kinder im Alter von unter fünf Jahren betroffen.
Comentar es una ventaja exclusiva para registrados
¿Ya eres registrado?
Inicia sesiónNecesitas ser suscriptor para poder votar.