Neue Müllgebühr trifft Spaniens Selbstständige mit voller Wucht
In Gemeinden wie Alhaurín de la Torre kann die Belastung für Kneipen oder Fitnessstudios bis zu 3.600 Euro betragen
José Rodríguez Cámara
Alharrín de la Torre
Freitag, 24. Oktober 2025
Die Einführung der neuen Müllabgabe sorgt in vielen andalusischen Gemeinden für Unmut – besonders bei denjenigen, die ohnehin am empfindlichsten auf zusätzliche Belastungen reagieren: Selbstständige und kleine Unternehmen. Seit Beginn des Jahres müssen Betriebe in Orten wie Alhaurín de la Torre, Rincón de la Victoria oder Torremolinos für die Entsorgung gewerblicher Abfälle teils mehrere Tausend Euro jährlich zahlen. Grundlage dafür ist die spanische Ley 7/2022 de residuos y suelos contaminados para una economía circular (Gesetz über Abfälle und kontaminierte Böden für eine Kreislaufwirtschaft), die Vorgaben der Europäischen Union in nationales Recht umsetzt.
Während die Städte und Gemeinden die Gebühr als gesetzlich vorgeschriebene Anpassung verteidigen, fühlen sich viele Unternehmer von der Maßnahme überrollt. Denn was als Beitrag zum Umwelt- und Ressourcenschutz gedacht ist, wird für viele zu einer handfesten Existenzbedrohung.
Unerwartet hohe Rechnungen
Besonders eindrücklich sind die Fälle aus Alhaurín de la Torre, wo Betriebe erstmals eine gesonderte 'industrielle' Müllgebühr entrichten müssen. Diese war bislang in den Wassergebühren enthalten. Die Aushändigung der ersten Bescheide erfolgte zwischen Ende August und September – und sorgte für Schockmomente bei Selbstständigen und in Betrieben.
«913 Euro für das erste Quartal – das ist absurd!», klagt Fran, Betreiber eines Fitnessstudios. «Wir erzeugen kaum Müll, und trotzdem sollen wir fast 3.700 Euro im Jahr zahlen.» Auch María Luisa Sánchez Chica, Inhaberin der Traditionsgaststätte Venta Pedro Vázquez, trifft es hart: ebenfalls 913 Euro pro Quartal. «Man hat einfach die maximale Kategorie angesetzt, offenbar nach Grundstücksgröße. Dabei ist nur ein Teil wirklich gastronomisch genutzt», kritisiert sie. Beide wollen gegen die Bescheide juristisch vorgehen – notfalls auch mit öffentlichem Protest.
Das Problem betrifft nicht nur große Grundstücke oder Betriebe mit vielen Kunden. Optikerin Mónica Aguilar berichtet, dass ihr für eine kleine Praxis eine Recyclinggebühr von 170 Euro pro Quartal berechnet wurde – obwohl sie, wie sie sagt, «kaum zwei Müllsäcke im Monat» entsorgt. Ähnlich ergeht es Estíbaliz Calderón, die gemeinsam mit ihrem Mann einen 42 Quadratmeter großen Kosmetiksalon führt. Beide zahlen jeweils eine eigene Abgabe, obwohl sie denselben Arbeitsplatz teilen.
«Das ist ungerecht und trifft gerade die Kleinsten», sagt sie. «Niemand wehrt sich gegen faire Beiträge, aber hier fehlt jede Verhältnismäßigkeit.»
Fehlberechnungen
Die Beschwerden häufen sich. Mehrere Unternehmer berichten, dass sie Gebührenbescheide für leerstehende oder bereits aufgegebene Lokale erhalten hätten. So musste Anwalt Alberto Aguilar für ein Geschäft zahlen, das er 2023 aufgegeben hatte. Als er Einspruch einlegte, hieß es seitens des zuständigen Provinzialamts: erst zahlen, dann reklamieren. «Ich kann verstehen, dass Abfall Geld kostet», sagt er. «Aber wenn man Fehler macht, darf das nicht auf dem Rücken der Bürger passieren.»
Auch Gastronomen wie Sergio Megías fühlen sich überfordert. Seine Gastrobar wurde mit 385 Euro pro Quartal veranlagt – rückwirkend. «Wir sind eh schon am Limit, da kommen solche Zuschläge wie ein Schlag ins Gesicht», sagt er. Zudem drohen Bußgelder bis zu 6.000 Euro, wenn Müll falsch entsorgt wird.
EU-Vorgaben
Der für Finanzen zuständige Stadtrat José Manuel de Molina verteidigt das Vorgehen: Die Berechnung beruhe auf klaren Kriterien wie der Art des Gewerbes (laut Impuesto de Actividades Económicas, kurz IAE) und der Fläche des Betriebs. Daraus würden sieben Abfallkategorien und acht Flächengruppen gebildet, um die Gebühr zu bestimmen.
«Wir halten uns strikt an das Gesetz und an die Vorgaben der EU», betont De Molina. Gleichwohl räumt er ein, dass erste Korrekturen notwendig seien: «Natürlich müssen wir die Beträge nachjustieren, um sie fairer zu gestalten.» Der Stadtrat verweist darauf, dass die Gesamtkosten der kommunalen Abfallentsorgung jährlich 4,6 Millionen Euro betragen, während durch die bisherige Umlage nur etwa 2,17 Millionen eingenommen wurden.
«Das Ziel ist, dass sich die tatsächlichen Entsorgungskosten auf alle Nutzer verteilen», so De Molina. Er ruft Bürger und Unternehmer dazu auf, falsche Bescheide zu melden, mahnt aber zugleich, die Beträge zunächst zu begleichen, um Zinsen und Strafen zu vermeiden.
Unterschiede in Gemeinden
Nicht überall wird die neue Steuer gleich umgesetzt. Torremolinos etwa hat beschlossen, auch Eigentümer von Ferienwohnungen in die Gebührenpflicht einzubeziehen – um die Last breiter zu verteilen und die Mehreinnahmen zugleich auf eine Million Euro jährlich zu erhöhen. In Rincón de la Victoria stiegen die jährlichen Müllgebühren für Wohnungen bereits von 103 auf 162 Euro, für Betriebe von 277 auf über 400 Euro.
Viele Gemeinden sehen die neue Abgabe als notwendige, wenn auch unpopuläre Maßnahme. Umweltschützer begrüßen sie als Schritt in Richtung nachhaltiger Kreislaufwirtschaft, während Unternehmerverbände vor einem «bürokratischen Massaker» warnen, das Arbeitsplätze koste.
Zwischen Pflicht und Protest
In Alhaurín de la Torre hat die sozialistische Opposition eine neue Debatte im Gemeinderat gefordert – mit dem Ziel, alternative Modelle zur Kostenverteilung zu prüfen. Der Unmut der Betroffenen wächst derweil. Viele sehen sich nicht mehr nur mit steigenden Betriebskosten konfrontiert, sondern mit einem Gefühl der Machtlosigkeit gegenüber einer Verwaltung, die sich auf Gesetzestexte beruft, aber die wirtschaftliche Realität vor Ort verkennt.
«Wenn diese Abgabe so bleibt, wird es einigen von uns das Genick brechen», fasst Fitnessstudiobetreiber Fran zusammen. «Wir sind nicht gegen Recycling – aber gegen Willkür.»