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Lange Schlangen an den Check-In-Schaltern am Flughafen Málaga im Juli letzten Jahres. Migue Fernández
Flugverkehr

EU-Staaten: Entschädigung erst nach vier Stunden Flugverspätung

Künftig soll es nach dem Willen der EU-Staaten erst später Geld für Flugverspätungen geben als bislang – Deutschland wurde überstimmt

Marek Majewsky (DPA)

Donnerstag, 12. Juni 2025

Gegen großen Widerstand aus Deutschland sollen Fluggäste nach dem Willen der EU-Staaten künftig erst nach vier Stunden Verspätung entschädigt werden –- und nicht wie bisher nach drei Stunden. Eine ausreichende Mehrheit der EU-Verkehrsminister stimmte bei einem Treffen in Luxemburg einer entsprechenden Änderung der europäischen Fluggastrechte zu, wie die polnische EU-Ratspräsidentschaft bekanntgab. Der Gesetzgebungsprozess ist jedoch noch nicht abgeschlossen, das Europaparlament hat noch ein Wort mitzureden.

Bis zu 500 Euro Entschädigung

Die Vier-Stunden-Regel soll dem Willen der Minister zufolge für Distanzen bis 3.500 Kilometer gelten. Für längere Flugreisen ist eine Frist von sechs Stunden vorgesehen. Dafür soll es dem Kompromiss der EU-Staaten zufolge künftig 300 beziehungsweise 500 Euro Entschädigung geben.

Bislang besteht für Fluggäste pauschal ab drei Stunden Verspätung Anspruch auf Entschädigung, sofern die Airline diese verschuldet. Konkret gibt es 250 Euro für Flüge bis 1.500 km; 400 Euro für Flüge bis 3.500 km und 600 Euro für Langstreckenflüge mit mehr als 3.500 km.

Die Bundesregierung hatte sich vehement dafür eingesetzt, dass Passagiere wie bisher ab drei Stunden Verspätung entschädigt werden und dafür pauschal eine Entschädigung von 300 Euro bekommen. Dadurch wären Verbraucherrechte gewahrt, aber auch Fluggesellschaften auf Langstreckenflügen entlastet worden, sagte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) vor dem Treffen.

Entsprechend stimmte Deutschland der Änderung bei der Sitzung in Luxemburg nicht zu. «Wir haben den Verbraucherschutz in den Mittelpunkt gestellt», sagte Schnieder nach der Abstimmung. Er hoffe, dass in bevorstehenden Gesprächen mit dem Europäischen Parlament die Möglichkeit bestehe, den Verbraucherschutz zu stärken.

Airlines argumentieren mit schnelleren Ersatzflügen

Der deutsche Lobbyverband BDL hatte beim Institut Yougov eine Umfrage unter Passagieren in Auftrag gegeben. Unter der Vorgabe, dass sie noch am selben Tag ihr Ziel erreichen, waren demnach 73 Prozent der befragten Passagiere bereit, erst nach fünf Stunden Verspätung einen Entschädigungsanspruch zu erhalten. Nur 21 Prozent fanden die Entschädigungszahlung bereits nach drei Stunden wichtiger. Dafür nähmen sie in Kauf, ihr Ziel gegebenenfalls erst ein oder zwei Tage später zu erreichen.

Die Airlines und ihre Verbände argumentieren, dass sie an vielen Zielen in Europa technisch nicht in der Lage seien, innerhalb von drei Stunden ein Ersatzflugzeug samt Crew zu stellen. Im Zweifel werde dann auf einen zusätzlichen Flug verzichtet, weil die hohen Entschädigungszahlungen ohnehin bereits angefallen seien. Fünf Stunden sei die bessere Frist. Wie viel mehr Ersatzflüge genau durch eine Fünf-Stunden-Regel noch am selben Tag stattfinden würden, ist unklar.

Die europäische Verbraucherschutzorganisation Beuc spricht von einer erheblichen Einschränkung wichtiger Rechte. Die neuen Schwellenwerte würden die Mehrheit der Fluggäste ihrer Rechte berauben, da die meisten Verspätungen zwischen zwei und vier Stunden lägen.

Der Rechtsdienstleister Flightright sieht das ähnlich: «Wenn die vorgeschlagene Revisionsfassung tatsächlich gesetzlich umgesetzt wird, fallen bis zu 60 Prozent der heutigen Entschädigungsfälle ersatzlos weg.» Hinzu kämen weitere Einschränkungen etwa durch die Ausweitung außergewöhnlicher Umstände. Wenn das Parlament diese Version der Fluggastrechte nicht stoppe, bleibe kaum etwas über.

Grundsätzlich haben die Parlamentarier bei dem Vorhaben noch ein Wort mitzureden. Dabei formiert sich unter deutschen Abgeordneten bereits Widerstand gegen das Vorhaben der EU-Staaten. Der FDP-Politiker Jan-Christoph Oetjen sagte, das Vorhaben sei in dieser Form «völlig inakzeptabel». Er kündigte an, dass Fluggastrechte mit einer breiten Mehrheit verteidigt würden.

Ähnliche Töne kommen auch aus anderen Parteien: Der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke betonte: «Als Parlament werden wir keine Verschlechterung des Status quo akzeptieren.» Sein CSU-Amtskollege Markus Ferber teilte mit, die drei Stunden hätten sich als Richtwert etabliert und seien ein guter Mittelweg. Die SPD-Abgeordnete Vivien Costanzo stellte vor der Abstimmung klar, dass es aus ihrer Sicht keinesfalls Abstriche beim Verbraucherschutz geben dürfe.

Stärkung der Verbraucherrechte?

Polens Verkehrsminister Dariusz Klimczak erklärte nach dem Treffen, der Kompromiss bringe klarere und einfachere Vorschriften. Polen hat derzeit den halbjährlich wechselnden Vorsitz unter den EU-Staaten inne und bereitet unter anderem die Treffen der Minister vor. Die überarbeiteten Vorschriften würden Fluggästen mehr als 30 neue Rechte einräumen, die vom Kauf des Flugscheins bis zur Ankunft am Zielort und in einigen Fällen auch darüber hinaus gelten würden.

In einer Mitteilung der EU-Staaten heißt es, Fluggesellschaften müssten den Fluggästen zum frühestmöglichen Zeitpunkt eine anderweitige Beförderung anbieten, einschließlich der Möglichkeit, auf Flüge anderer Fluggesellschaften oder auf alternative Verkehrsmittel umzusteigen.

Wenn eine Fluggesellschaft nicht innerhalb von drei Stunden eine angemessene anderweitige Beförderung anbiete, könnten Fluggäste auf eigene Faust eine Alternative organisieren und dafür eine Erstattung von bis zu 400 Prozent des ursprünglichen Flugpreises verlangen.

Gebühr für Handgepäck soll künftig EU-weit zugelassen werden

Málaga - SDA. Nicht nur bei den Entschädigungen für Verspätungen hat der EU-Ministerrat im Interesse der Fluggesellschaften – und zum Missfallen der meisten Fluggäste – entschieden: Für das sogenannte Handgepäck, also jener Koffer, der meist zwischen sieben und zehn Kilo wiegen darf und in die Kabine mitgenommen wird, sollen die Airlines künftig europaweit Entgelte erheben dürfen. Der Entscheidung muss das EU-Parlament allerdings noch zustimmen.

Hintergrund des Disputes ist, dass der Europäische Gerichtshof 2014 zwar entschieden hat, dass 'angemessenes Handgepäck' kostenlos befördert werden müsse, aber nicht konkretisiert hat, was als 'angemessen' gilt.

Damit wird die von den meisten Anbietern sowieso schon praktizierte Regelung, dass nur ein Gepäckstück, das unter den Vordersitz passt, kostenlos mitgeführt werden darf, EU-weit als rechtlicher Standard abgesegnet.

Einige Länder wie Deutschland, Portugal und Spanien haben dagegen gestimmt; ob die Regelung so Bestand hat, soll noch im Laufe dieses Jahres geklärt werden.

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