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Die 'gläserne Generation' bricht mit Klischees

IZASKUN ERRAZTI

Donnerstag, 5. Dezember 2024

«Gläserne Generation?», fragte sich Jorge Zabala, 19, Student der Biotechnologie an der Polytechnischen Universität von Valencia, in einem Interview für diese Zeitung Anfang November, als er im valencianischen Massanassa gerade Schlammmassen beseitigte. «Ich weiß nicht, warum sie uns so nennen. Ich bin sicher, dass einige aus der 'gläsernen Generation' sich auf die faule Haut legen, aber ich denke, wir gehören zur Generation 'heute für dich, morgen für mich'», verteidigte er sich. Sicherlich wollen, wie er, Tausende von jungen Freiwilligen, die im vergangenen Monat geholfen haben, die von der 'Dana' verwüsteten Orte wieder in Ordnung zu bringen, dieses Stigma abschütteln. 'Gläserne Generation' ist die spanischen Entsprechung zum Ausdruck 'Generation Schneeflocke', dem Lieblingsschimpfwort der Trump-Anhänger für jene, die in den 2010er Jahren erwachsen geworden sind.

In Spanien wurde der Begriff zum ersten Mal 2012 von der Philosophin und ehemaligen Abgeordneten des katalanischen Parlaments Montserrat Nebreda geprägt. Mit ihm wollte sie auf die vermeintliche emotionale Zerbrechlichkeit einer Generation, Opfer familiärer Überbehütung, hinweisen. Aber das Beispiel der Solidarität junger Menschen in Valencia, das in der Gesellschaft so viel Aufmerksamkeit erregt hat, scheint diese Wahrnehmung verändert zu haben. Jetzt spricht man von ihrer Stärke, nicht von ihrer Hochsensibilität. Das Mantra, sie seien «zu nichts zu gebrauchen», wurde über Bord geworfen.

Das ist jedoch kein neues Phänomen. Frühere kritische Momente in Spanien mobilisierten ebenfalls eine Schar junger, unbezwingbarer Menschen. So die 'Generation Chapapote', die in Massen kam, um die Costa da Morte in Galicien von der durch den Unfall der 'Prestige' verursachten Ölpest zu befreien, und auch in Madrid, als nach den brutalen Anschlägen des 11. März 2004 viele in die Krankenhäuser strömten, um Blut zu spenden. Deshalb findet Amparo Lasén, Professorin für Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Complutense Madrid (UCM), die Reaktion der Bürger auf die unmittelbare Aktivität der jungen Leute angesichts der durch das Unwetter verursachten Not so verwunderlich. «Wir beleidigen junge Menschen mit einem Urteil, das mehr mit dem heutigen Medienumfeld zu tun hat als mit ihrem Charakter, und dann wundern wir uns über ihr Auftreten. Wir haben die Vorstellung, dass junge Menschen nur daran interessiert seien, in sozialen Netzwerken und im Internet Präsenz zu zeigen, dass sie von der Realität abgekoppelt seien und keine Kraft hätten, und das ist eindeutig nicht der Fall», betont die Expertin, die dafür plädiert, den Begriff 'gläserne Generation' nicht mehr zu verwenden. «Wir pflegen schon zu lange diese stereotypen, verallgemeinernden und abwertenden Vorstellungen» über diese Generation, bedauert die Soziologin.

ZITATEAmparo Lasén Soziologin an der UCM«Wir beleidigen junge Menschen mit einem Urteil, das mehr mit dem heutigen Medienumfeld zu tun hat als mit ihrem Charakter» Guillermo Fouce Psychologe«Sie sind zerbrechlich? Aus Glas? Sie sind Produkte ihrer Zeit. Das Problem sind nicht sie selbst, es ist die Gesellschaft, in der sie leben»Paula Macías Altenpflegerin«Es besteht ein großer Generationsunterschied zwischen den Erwachsenen, die wir kennen, und den neuen, die wir sein werden»Estíbaliz Linares Prof. a. D. Universidad de Deusto«Wir erleben täglich ihre Frustration, ihre Versagensängste... weil wir dazu neigen, immer behütendere Gesellschaften zu schaffen» Joseba Pérez Trullós CEO von LORTU Desarrollo«In einer vernetzten Welt haben unsere Entscheidungen Auswirkungen, die Grenzen und Generationen überschreiten können» Vanessa Fernández Psychologin«Ich bin beeindruckt von ihrem sozialen Gewissen, aber das Posen für das typische Foto in den sozialen Medien trübt den positiven Eindruck»

Vielschichtiges Kollektiv

«Sie sind zerbrechlich? Aus Glas? Sie sind Produkte ihrer Zeit und gerade deshalb großartig, weil sie die Realität widerspiegeln. Wenn sie individualistischer sind, liegt das daran, dass wir in einer zunehmend individualistischen Gesellschaft leben. Wenn sie wettbewerbsorientierter sind, liegt das daran, dass die Gesellschaft wettbewerbsorientierter ist. Und wenn sie in manchen Fällen zerbrechlich erscheinen, dann deshalb, weil diese Gesellschaft an die Pille gewöhnt ist, die alles sofort löst. Das Problem sind nicht sie selbst, sondern die Gesellschaft, in der sie leben», erklärt Guillermo Fouce, Laséns Kollege an der Madrider Universität, der wie sie der Meinung ist, dass wir das, was wir bei bestimmten Personen sehen, häufig auf das gesamte Kollektiv übertragen. «Es gibt viele und sehr unterschiedliche junge Menschen. Sie sind viel vielschichtiger, als wir denken», sagt der Psychologe. «Deshalb wächst die Solidarität unter ihnen, aber auch die Ablehnung und der Hass. Und bestimmte negative Elemente. Es ist also möglich, dass widersprüchliche Dinge und Phänomene auftreten können», fügt er hinzu.

Dem stimmt auch Estíbaliz Linares zu. Die Dozentin für Sozialarbeit an der baskischen Universidad de Deusto erlebt hautnah die Realität einer Gruppe, die sich «zwischen vielen Widersprüchen bewegt. Mit Medien, die ihnen einerseits Liberalismus, Feminismus oder sozialdemokratische Ideale verkaufen, aber gleichzeitig mit einer Menge konsumistischer und kapitalistischer Ideale vermischt sind. Deshalb wissen sie oft nicht, wohin sie sich bewegen sollen». Als Beispiel führt sie die Situation in Valencia an, «wo wir gesehen haben, wie sich die Katastrophe mit politischen und kapitalistischen Interessen vermischt...».

Die 25-jährige Paula Macías aus La Rioja konnte nicht ins Katastrophengebiet reisen – ihr Job als Altenpflegerin hat sie daran gehindert. Sie hätte gerne geholfen, auch wenn sie es satt habe, ständig zu demonstrieren, «was ihre Generation wert ist, die nicht schweigt, die kämpft und bereit ist, sich für das Gemeinwohl zu opfern», wie sie betont.

«Auch wenn wir in eine völlig andere Situation als unsere Eltern hineingeboren wurden, macht uns das nicht zerbrechlich und verwöhnt. Wir haben eine Pandemie erlebt, wir haben zwei offene Kriege in unmittelbarer Nähe und eine ungewisse Zukunft, unsichere Arbeitsplätze und viele Schwierigkeiten, ein Eigenheim zu kaufen und unabhängig zu werden. All das fordert seinen Tribut». Eine Situation, die Linares aufgrund ihrer Arbeit bezeugen kann. «Wir erleben ihre Frustrationen, ihre Versagensängste... tagtäglich», sagt sie. Und das alles, so argumentiert sie, «weil wir dazu neigen, immer behütendere Gesellschaften zu schaffen, wir schaffen gläserne Blasen.»

Die jungen Leute, so die Dozentin, machten sich trotz allem Gedanken und seien aktiv; Sorgen bereite ihr jedoch die politische Unzufriedenheit. «Die Dana in Valencia hat den Slogan 'Nur das Volk kann das Volk retten' und den Diskurs, dass die politische Klasse zu nichts tauge, wiederbelebt, was bei jungen Menschen riskant sein kann», warnt sie. Die Soziologin Amparo Lasén von der Complutense-Universität in Madrid macht in diesem Sinne das Medienuniversum, in dem wir leben, verantwortlich, das, «um Aufmerksamkeit zu erregen, vorwiegend Themen aufgreift, die dazu geeignet sind zu skandalisieren, Druck aufzubauen und Konflikte zu fördern».

Posieren

Die promovierte Psychologin Vanessa Fernández ist beeindruckt von dem «sozialen Bewusstsein» einer Generation, die «sehr zukunftsorientiert und altruistisch» ist. Allerdings möchte sie einen Aspekt hervorheben, auf den sie von mehreren Personen – «einige von ihnen aus Valencia» – aufmerksam gemacht wurde: «Die Nutzung der sozialen Medien, um für das typische Foto zu posen.» Ihrer Meinung nach trübt das den positiven Eindruck ihres Verhaltens.

«Wir leben in einer 'Poser'-Gesellschaft», räumt auch Linares ein. «Was nicht veröffentlicht wird, existiert nicht. Aber das, so Fouce, «gilt nicht nur für diese Generation. In dieser Krise haben wir Journalisten und Prominente gesehen, die nach Valencia kamen, um sich zu profilieren. Wir leben in einer Gesellschaft der 'Likes' und der Bilder. Aber jeder spielt damit». Amparo Lasén bricht eine Lanze für die junge Generation: «Die Tatsache, dass junge Menschen hypervernetzt sind, bedeutet auch, dass sie aufmerksam sind und andere wahrnehmen.»

Die positive Seite dieser Abhängigkeit von Netzwerken, die den Zwanzigjährigen vorgeworfen wird, ist «ihre Fähigkeit, Bewegungen und Bündnisse zu schaffen und Gemeinschaftsstrategien im Netz zu artikulieren. Es ist wichtig, dass wir uns die Fähigkeit der digitalen Welt zur Subversion, Veränderung und Überschreitung vor Augen halten», betont Estíbaliz Linares. Joseba Pérez Trullós, Gründerin und CEO von LORTU Desarrollo, ergänzt: «In einer vernetzten Welt haben unsere Entscheidungen, so klein sie auch erscheinen mögen, Auswirkungen, die Grenzen und Generationen überschreiten können, und genau das ist mit dem Engagement junger Menschen angesichts dieser Naturkatastrophe geschehen». Nun bleibt abzuwarten, wie lange der Einfluss, den sie auf die Gesellschaft hatten, anhalten wird. Optimismus herrscht weder bei den Experten noch bei den jungen Menschen selbst. «Es besteht ein großer Generationsunterschied zwischen den Erwachsenen, die wir kennen, und den neuen, die wir sein werden», sagt Paula Macías abschließend.

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