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Die Beauftragte für die Feierlichkeiten, Carmina Gutrán, am vorigen Mittwoch im Prado. EFE

Diktator Franco spaltet Spanien immer noch

Rechte und Konservative boykottieren Gedenkveranstaltungen zum 50. Todesjahr von Diktator Francisco Franco

MANUEL MEYER

MADRID.

Donnerstag, 16. Januar 2025

Am Mittwoch vergangener Woche eröffnete Spaniens sozialistischer Ministerpräsident Pedro Sánchez offiziell die Gedenkveranstaltungen zum 50. Todesjahr des spanischen Diktators Francisco Franco. Der Tod Francos am 20. November 1975 sei der Beginn der Rückkehr Spaniens zur Demokratie gewesen, sagte Sánchez im Auditorium des Madrider Reina-Sofía-Museums.

Unter dem Leitsatz 'Spanien in Freiheit' soll ein Reigen von über 100 Veranstaltungen das ganze Jahr über daran erinnern, wie sich Spanien nach dem Tod des Diktators vor 50 Jahren politisch, wirtschaftlich und vor allem gesellschaftlich veränderte, modernisierte und in eine Demokratie verwandelte.

Die Wahl für den Ort des Eröffnungsaktes war bewusst gewählt. Im Reina-Sofía-Museum hängt Pablo Picassos 'Guernica', das wohl bekannteste Anti-Kriegsgemälde überhaupt. In seinem monumentalen Werk verarbeitete Picasso die Schrecken des von Franco 1936 ausgelösten Bürgerkriegs. Die baskische Kleinstadt Guernica, die Franco mit Hilfe von Hitlers Kampfflugzeugen der deutschen Legion Condor dem Erdboden gleichmachte, wurde durch Picassos Gemälde zum Antikriegs-Symbol schlechthin. Nach seinem Putsch gegen die republikanische Regierung beherrschte der faschistische General Spanien bis zu seinem Tod 1975 mit eiserner Hand.

«Der Faschismus, den wir als überwunden betrachtet haben, ist bereits wieder die drittstärkste politische Kraft in Spanien und in Europa», warnte Sánchez. Deshalb sei es umso wichtiger, an die Gräueltaten der Diktatur und die Beschneidung der Freiheiten zu erinnern, so der spanische Ministerpräsident. Das gelte vor allem für die Generationen, die das Regime nur aus Geschichtsbüchern kennen. Tatsächlich meinen laut einer Umfrage der Zeitung 'El País' vom vergangenen September 26 Prozent der spanischen Männer zwischen 18 und 26 Jahren, dass ein autoritäres System nicht unbedingt schlechter als eine Demokratie sein muss. Bei den Spanierinnen im gleichen Alter waren rund 18 Prozent dieser Meinung.

Alarmierende Zahlen. Und gerade mit Blick auf das Voranschreiten rechtsextremer Parteien in ganz Europa und der bevorstehenden Machtübernahme von Donald Trump in den USA mit einem Berater wie dem Tech-Milliardär Elon Musk, der in Deutschland öffentlich zur Wahl der rechten AfD aufrufe, sei es deshalb heute wichtiger denn je, «unsere Demokratien jenseits ideologischer Unterschiede zu verteidigen», erklärte Sánchez.

Damit richtete er sich indirekt auch an Spaniens konservative Volkspartei (PP) von Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo, die bereits ankündigte, sämtlichen Veranstaltungen zum 50. Todesjahr Francos fernzubleiben. Dass die rechtsextreme Vox die Veranstaltungen boykottieren werde, war allen klar. Bereits im Vorfeld bezeichnete Vox-Sprecher José Antonio Fúster die Gedenkveranstaltungen als «spaltende Vision der Vergangenheit» aus einem «revanchistischen Wunsch» einer linken Regierung. Ministerpräsident Sánchez warf er sogar «absurde Nekrophilie» vor.

Doch auch für die Konservativen sind die Festakte nichts weiter als ein Versuch des sozialistischen Regierungschefs, um von den Skandalen und Gerichtsverfahren abzulenken, in die sein Umfeld verwickelt ist. Um die politische Schwäche seiner Minderheitsregierung zu kaschieren und von den Korruptionsvorwürfen gegen seinen Bruder und seine Ehefrau abzulenken, brauche Sánchez Diktator Franco «lebendiger denn je», wetterte PP-Fraktionssprecher Miguel Tellado.

Demokratischer Neuanfang

PP-Parteisprecher Borja Semper legte noch einen drauf: «2025 gibt es in Spanien nichts zu feiern, da es 1975 in Spanien keine Demokratie gab». Die sozialistische Regierung verteidigt die Wahl des Datums mit Verweis auf europäische Nachbarn, die ebenfalls den Fall eines autoritären Regimes als Beginn des demokratischen Neuanfangs feiern. In Ostdeutschland sei mit dem Fall der Mauer 1989 auch nicht gleich die DDR zusammengebrochen, so Víctor Ángel Torres, Minister für Territoriale Angelegenheiten und Demokratische Erinnerung.

Doch der PP-Sprecher Semper hat nicht ganz unrecht. Francos Tod am 20. November 1975 brachte keineswegs direkt die Freiheit. Spanien durchlebte eine mühsame Phase des demokratischen Übergangs, die sogenannte 'Transición'. Tausende Spanier standen kilometerweit Schlange, um ihrem 'Caudillo' die letzte Ehre zu erweisen. Bis 1976 regierte noch der Franco-treue Ministerpräsident Carlos Arias Navarro. Erst 1978 wurde eine demokratische Verfassung verabschiedet.

Wie schwach Spaniens Demokratie damals war, zeigte noch im Februar 1981 der Staatsstreichversuch von Franco-treuen Militärs. Der Putsch scheiterte erst, nachdem sich König Juan Carlos I., der von Franco als dessen Nachfolger benannt worden war, auf die Seite der Demokratie stellte. Die Gesellschaft, das Militär, die Politik waren tief gespalten, was die Franco-Diktatur anging. «Der Übergang zur Demokratie musste behutsam vorgenommen werden und konnte auch nur mit Unterstützung des Franco-treuen Militärs und Politiker des Regimes gelingen», erklärt der spanische Politologe Felix Arrieta.

Die Verbrechen der Franco-Diktatur wurden in einer Art 'Pakt des Schweigens' zum Schutz der schwachen Demokratie zunächst 'vergessen'. Es gab Generalamnestien für ehemalige Franco-Schergen. Das Problem: «Der Pakt des Schweigens dauerte zu lange und führte dazu, dass es in Spanien niemals zu einer richtigen Vergangenheitsbewältigung kam», so Felix Arrieta.

Sieger und Besiegte

Die Gräben zwischen 'Besiegten' und 'Siegern' wurden auch in der Demokratie niemals komplett zugeschüttet. Sánchez tat einiges, um dies zu ändern. Unter seiner Regierung nahm die Suche nach Massengräbern mit verscharrten Franco-Opfern zu. 2019 setzte er gegen den politischen Widerstand der Konservativen und der rechten Vox durch, die Gebeine des Diktators aus dem Mausoleum zu entfernen, das sich Franco selber vor den Toren Madrids im 'Tal der Gefallenen' erbauen ließ.

Sánchez benutzt die Franco-Vergangenheit aber auch immer wieder gerne, um seine politischen Gegner in die Ecke zu drängen und seine eigenen Wähler gegen 'Rechts' zu mobilisieren. Zumal er weiß, dass es gerade für die konservative Volkspartei, die aus der Franco-nahen Alianza Popular hervorgingen, bis heute schwer ist, ihre politischen Wurzeln zu rechtfertigen. Parteipolitische Kämpfe, die auch die Kirche treffen.

Noch in diesem Jahr will Sánchez das zum ehemaligen Franco-Mausoleum gehörende Benediktinerkloster auflösen, um das 'Tal der Gefallenen' zu einem 'Erinnerungs- und Dialogzentrum' zu machen. Den dortigen Benediktinern, die sich wehren, ihr Kloster aufzugeben, wirft Sánchez vor, geholfen zu haben, dass das 'Tal der Gefallenen' zu einem faschistischen Pilgerort wurde. Der aktuelle Streit darum, wie man mit der Erinnerung an Franco umgehen soll, zeigt, wie sehr die Franco-Vergangenheit die Spanier heute immer noch spaltet – oder dafür benutzt wird, um zu spalten.

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