Andalusiens Gesundheitsminister Antonio Sanz: «Es hat immer Fehler gegeben und wird immer Fehler geben»
Sanz versichert, das Versagen des Brustkrebs-Früherkennungsprogramms sei erkannt und Maßnahmen zur Behebung der Fehler seien ergriffen worden
Héctor Barbotta
Sevilla
Montag, 27. Oktober 2025
Für das Interview empfängt Antonio Sanz in seinem neuen Büro im andalusischen Landesministerium für Gesundheit, das sich in einem weit vom Zentrum entfernten Stadtteil von Sevilla befindet. Nach Bekanntwerden des Mammographie-Sreening-Skandals hatte seine Vorgängerin, Rocío Hernández, zurücktreten müssen. Für den neuen Gesundheitsminister waren die ersten Tage im Amt nicht weniger turbulent, es hagelte Kritik von allen Seiten. Erst am Sonntag hatten sich Tausende von Meschen in Sevilla zu einer Demonstration zusammengefunden, um gegen die Krise bei der Brustkrebsvorsorge zu protestieren und eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung zu fordern.
Es ist nun bekannt, wie viele Frauen von dem fehlerhaften Mammographie-Screening-Programm betroffen sind: 2.317. Ist dies eine endgültige Zahl?
Es ist die von den Fachleuten angegebene Zahl. Der eingesetzte Kontreollausschuss ist darüber bereits in Kenntnis gesetzt worden. Die Zahl bezieht sich auf jene Frauen, bei denen die Mammographien einen BI-RADS 3-Befund, also einen nicht eindeutigen Befund hatten, wobei die Untersuchungen selbst bereits mit Verzögerung durchgeführt worden waren. Wir konzentrieren uns nun auf diese 2.317 Frauen. Als erstes wurde entschieden, dass ab nun alle Frauen über ihre Diagnose informiert werden müssen, unabhängig davon, ob sie positiv, negativ oder nicht eindeutig ist. In Andalusien werden jeden Tag 1.900 Mammographien durchgeführt, was dazu führen kann, dass noch neue Fälle auftauchen. Von den 2.317 derzeit betroffenen Frauen wurden bislang 1.800 nachuntersucht, so dass bis zum 30. November noch etwa 500 Untersuchungen ausstehen.
Wurde festgestellt, wie es zu den verschleppten Untersuchungen und dem Informationsdefizit kommen konnte? War es menschliches Versagen, Mangel an Ressourcen, gab es Engpässe?
Einerseits gab es ein Protokoll, das bereits geändert worden ist. BI-RAD 3 sind nicht eindeutige Diagnosen, die eine sechsmonatige Wartezeit auf eine Nachuntersuchung haben. Bei den Befunden BI-RAD 4 und 5 wird sofort gehandelt, da es sich um bestätigte Fälle von Brustkrebs handelt. BI-RAD 3 ist der Befund, bei dem wir derzeit Maßnahmen ergreifen. Das erste Problem war der Mangel an Informationen für die betroffenen Frauen. In Fällen, in denen eine Mammographie schlüssig ist und kein Risiko, keine Veränderung festgestellt wird, dauert es normalerweise zwei Jahre, bis Frauen zur nächsten Krebsvorsorge gerufen werden. Frauen, die nach einer kürzeren Frist zu einer Mammographie einbestellt wurden, fragten sich natürlich: Warum wird die Untersuchung vorgezogen? Erst dann wurde ihnen mitteilt, dass die Mammographie seinerzeit nicht schlüssig war. Die logische Frage der Frauen: Warum wurde ich nicht informiert? Dieser Mangel an Informationen, zusammen mit Verzögerungen bei den eigentlichen Untersuchungen, insbesondere in einer bestimmten Abteilung des Krankenhauses Virgen del Rocío, hat zu dieser Situation geführt.
«Das Pilotprojekt wird die Krebsvorsorge transparenter, schneller und effizienter machen»
Ist bekannt, seit wann dieses Problem besteht?
Im Prinzip seit 2023 und 2024. Jetzt wird logischerweise alles kontrolliert. Aber wir müssen anerkennen, und es wurde sich dafür entschuldigt, dass es zu Verzögerungen gekommen ist, vor allem in der zuständigen Abteilung im Krankenhaus Virgen del Rocío, der 90 Prozent der Fälle zugeschrieben werden. Diese Verzögerungen werden jetzt korrigiert. Es gibt eine Umstrukturierung des Betreuungsmodells und eine Verstärkung des Fachpersonals, das allmählich eintrifft. Des Weiteren werden wir eine spezielle Abteilung im Krankenhaus Muñoz Cariñano einrichten. Hinzu kommt das sehr wichtige Projekt, bei dem das Krankenhaus Reina Sofía in Córdoba Pionier ist, zur Anwendung neuer Technologien der künstlichen Intelligenz, insbesondere im Zusammenhang mit der Analyse von Mammogrammen bei der Brustkrebsvorsorge. In diesem Sinne haben wir auch beschlossen, die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt in Córdoba mit sehr wichtigen Ergebnissen auf ganz Andalusien auszudehnen. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass dieser Pilotplan, den wir auf ganz Andalusien ausweiten werden, die Krebsvorsorge in Andalusien transparenter, schneller und effizienter macht und uns hilft, eine qualitativ hochwertige Versorgung mit besseren Ergebnissen anzubieten.
«Wir müssen die Wartezeiten und die Schwankungen in den Provinzen verringern»
Befürchten Sie, dass bei anderen Früherkennungsprogrammen irgendwann ähnliche Fehler entdeckt werden wie bei der Brustkrebsvorsorge?
Wenn das Hauptproblem der Informationsmangel war, dann war es auf die Brustkrebsvorsorge beschränkt. Wenn es um Wartezeiten geht, ist es unsere Aufgabe, diese zu verkürzen. Wir müssen auch die Schwankungen bei den Wartezeiten in den Provinzen verringern und einheitlichere Protokolle einführen. Oder wir müssen die Dienste verstärken, wie wir es mit der Umsetzung des umfassenden Screening-Aktionsplans getan haben, mit einer Investition von 100 Millionen Euro und 705 Fachkräften. Die Screening-Programme sind von großer Bedeutung. Wir müssen die Inanspruchnahme dieser Programme weiter erhöhen. Es geht nicht nur um die Untersuchungen an sich, sondern auch um die Sensibilisierung und um die öffentliche Gesundheit. Das zwingt uns zu gewissen Anpassungen in wichtigen Krankenhäusern wie dem Virgen Macarena, Virgen de Valme oder Virgen de la Victoria. Die Größenordnungen, über die wir hier sprechen, sind bedeutend und erfordern logischerweise kontinuierliche Investitionen und Engagement.
Inwieweit kann das Versagen der Brustkrebsvorsorge sich negativ auf die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Notwendigkeit von Vorsorgeprogrammen auswirken?
Wir haben Fachleute, die auf diesem Gebiet weltweit führend sind, und es ist bedauerlich, dass sie in Frage gestellt werden, indem man von politischer Kritik zu Angriffen auf das System und die Fachleute übergeht, wie wir es kürzlich durch den Ministerpräsidenten im Abgeordnetenkongress oder im Parlament von Andalusien durch Oppositionsgruppen erlebt haben. Ich appelliere an die Verantwortung und die Besonnenheit, aber ich vermittle auch eine Botschaft der Sicherheit und des Vertrauens in das große Potenzial, das Andalusien in der Screening-Politik und natürlich im System insgesamt hat. Es wird immer Fehler geben und es hat immer Fehler gegeben, natürlich wird es Defizite geben und es gibt Defizite, aber die Stärke dieses Systems lässt sich nicht verleugnen. Wir haben den Fehler erkannt, wir haben die Diagnose gestellt, wir haben die Fälle geprüft, wir haben die politische Verantwortung übernommen, wir haben uns entschuldigt, und jetzt ist es an der Zeit, zu reagieren und Verbesserungen im System vorzunehmen. Aus diesem Grund ist der Kontrollausschuss sehr wichtig, denn die Beteiligung aller ist ebenfalls von grundlegender Bedeutung. Mein Ziel ist es, und das sage ich ganz klar, eine neue Ära für das andalusische Gesundheitswesen einzuleiten.
«Wir müssen uns dafür einsetzen, dass kein Arzt Andalusien verlässt und dass diejenigen, die weggegangen sind, zurückkehren»
Sie sind der vierte Gesundheitsminister seit dem Amtsantritt von Juanma Moreno. Wenn es in sieben Jahren vier Minister gibt, bedeutet das, dass etwas nicht funktioniert, auch wenn die Investitionen jedes Jahr steigen.
Das Gesundheitssystem hat eine noch nie dagewesene wirtschaftliche Anstrengung unternommen hat. Zum ersten Mal liegt Andalusien bei den Gesundheitsausgaben pro Einwohner über dem spanischen Durchschnitt. In der Amtszeit von Juanma Moreno sind die Investitionen um 55 Prozent gestiegen und die für 2026 angekündigten Zahlen haben 16 Milliarden Euro erreicht. Die Gesundheitsausgaben sind um 45,3 Prozent gestiegen, die Zahl der Beschäftigten hat sich um 28.000 erhöht. Damit haben wir eine historische Zahl von 130.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen erreicht. Und das alles im Gegensatz zu der Etappe, als 7.700 Fachkräfte abgewandert sind, in der 1,5 Milliarden Euro aus dem Haushalt gestrichen, 800 Krankenhausbetten abgebaut oder 500.000 Menschen auf der Warteliste verheimlicht wurden. Es ist klar, dass das System angesichts der Entwicklungen aktualisiert werden muss. Es handelt sich um ein System, das praktisch aus den 1980er Jahren stammt. Weder die Krankheiten sind dieselben, noch sind die Ansprüche der Bürger dieselben. Die Überalterung der Bevölkerung führt zu chronischen Erkrankungen und sehr hohen Kosten für viele der Medikamente. Die Pflege hat sich verändert, die Einbeziehung neuer Technologien war nicht in dem Maße gegeben, in dem wir heute über die Anwendung von KI im Gesundheitswesen sprechen können. All dies veranlasst uns zum Umdenken. Wir haben sehr wichtige Fortschritte gemacht. Jetzt müssen wir uns, zumindest in den acht Monaten, in denen ich Mitglied der Regierung bin, darauf konzentrieren, das System zu verbessern, indem wir Fachkräfte anziehen und Anreize für sie schaffen. Ich möchte nicht, dass irgendein Arzt Andalusien verlässt, aber ich möchte auch, dass diejenigen, die weggegangen sind, wieder zurückkehren. Daran müssen wir arbeiten. Mein Ziel ist es, wichtige Vereinbarungen mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden zu treffen, damit wir schnell vorankommen.
«Mein Ziel ist es, eine neue Ära für das andalusische Gesundheitssystem zu eröffnen«
Kommen diese Überlegungen nicht zu spät, schließlich befinden wir uns bereits in der Endphase der Legislaturperiode? Hätte man nicht schon viel früher damit beginnen müssen, oder ist es die Screening-Krise, die diese Überlegungen ausgelöst hat?
Ich glaube, dass alle Gesundheitssysteme aus Corona sehr stark beeinträchtigt hervorgegangen sind, und wir hatten eine Nach-Covid-Entwicklung, die sich als sehr komplex erweist, zusammen mit dem Mangel an Fachkräften, der offensichtlich in ganz Spanien besteht. Nach den beträchtlichen Investitionen, die getätigt wurden, ist es klar, dass wir jetzt daran arbeiten müssen, die Investitionen zu bündeln und sie dort einzusetzen, wo wir wesentliche Verbesserungen im System garantieren können.
Wenn es, wie Sie sagen, nur wenige Fachkräfte gibt, wo sollen sie dann herkommen?
Erstens wollen wir ein flexibles Einstellungssystem. Zweitens Angebote, die an die notwendigen Fachrichtungen angepasst sind, die derzeit vorrangig sind. Und natürlich muss es auch Anreize geben, die mit Fortschritten in der beruflichen Laufbahn verbunden sind. Wir müssen den Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem für Fachpersonal attraktiv machen. Zu diesem Zweck ist die Änderung des Arbeitsbörsenmodells von grundlegender Bedeutung. Unser Ziel ist, dass bis 2026 das Personal des andalusischen Gesundheitsdienstes ein Stabilitätsniveau von 96 Prozent erreicht.