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Eine Familie im Armenviertel Los Asperones, im Hintergrund die Baukräne für eine Neubausiedlung. Marilú Báez
Marginalisierung

Bewohner von Málagas Barackensiedlung Los Asperones: «Wir wollen unseren Kindern ein anderes Leben ermöglichen»

Die Umquartierung aus dem Armenviertel in andere Stadtteile Málagas wird sich noch über Jahre hinziehen, schon jetzt aber werden die Konsequenzen für die Bewohner heiß disktuiert

Cristina Vallejo

Málaga

Montag, 22. September 2025

«Ich kann es gar nicht abwarten, hier wegzukommen. Ich habe vier Kinder und möchte ihnen ein besseres Leben ermöglichen», sagt Marina Martín, 39, die den Burgerladen in Los Asperones betreibt und Mutter von vier Kindern im Alter von 5, 13, 15 und 19 Jahren ist. Frühmorgens kommen viele Kinder und ihre Mütter in ihren Laden, um Pausensnacks zu kaufen. Das Bild in der Calle María de la O kurz vor neun Uhr ist das gleiche wie in jedem anderen Viertel - auch wenn Los Asperones heruntergekommener, schmutziger und vernachlässigter ist als andere: Mütter (mehr als Väter) und verschlafene Kinder mit Rucksäcken.

Marina Martín wurde im Gegensatz zu vielen ihrer Nachbarn nicht in der zwischen Málaga und dem Vorort Campanillas gelegenen Barackensiedlung Los Asperones geboren, sondern zog dorthin, nachdem sie Santiago Cortés, einen Klempner, geheiratet hatte. Jetzt wiederholt sich die Geschichte und im Hof ihres Hauses wird eine weitere Unterkunft gebaut, damit ihr ältester Sohn - er macht gerade eine Zusatzausbildung als Programmierer - mit seiner Freundin zusammenziehen kann. Auch diese junge Frau kommt von außerhalb der Siedlung. Ein Grund: Die vier Kinder von Marina und Santiago gehen nicht in der Nachbarschaft zu Schule oder zur Uni und ihre Freunde sind nicht aus Los Asperones. «Ich habe meinen Kindern immer gesagt, dass sie nicht verleugnen müssen, dass sie von hier sind, aber wenn sie sehen, wo ihre Freunde wohnen, schämen sie sich, und wenn sie in Gruppen Schularbeiten machen mussten, sind sie nie hierher gekommen, sondern ich war derjenige, der sie zu den Häusern ihrer Mitschüler gebracht hat. In meinem Haus geht es uns gut und es ist gut eingerichtet, aber sieh dir an, was um uns herum ist...», sinniert Martín, und: «Ach, wenn sie mir doch nur mein Haus einfach woanders hinstellen könnten...».

Die Stadtverwaltung von Málaga und die andalusische Landesregierung haben sich vor einigen Tagen darauf geeinigt, bei der Zentralregierung in Madrid Mittel für die Umsiedlung der Bewohner von Los Asperones an einen anderen Standort zu beantragen. Das neue staatliche Wohnungsbaugesetz sieht Beihilfen für die Beseitigung von Barackensiedlungen, heruntergekommenen Gebieten und provisorischen Unterkünften vor.

Los Asperones selbst war vor nunmehr 40 Jahren im Rahmen eines Programms zur Beseitigung von Barackensiedlungen entstanden. Fragt man die Bewohner zu den Plänen der Umsiedlung, wollen zwar die meisten von ihnen wegziehen, es gibt auch ein paar andere Meinungen und «Wenn und Aber». So ist beispielsweise Santiago Cortés anderer Meinung als seine Frau Marina: Er, der sein ganzes Leben dort verbracht hat, würde gerne bleiben. «Na dann soll er doch bleiben, ich gehe», lacht sie.

Marina Martín in ihrem Burgerladen. Marilú Báez

Jesús Moreno (31), der sich als Sänger sein Geld verdient, geht zum Burger, um zu frühstücken. Auch er hat seine Meinung zu einer Umsiedlung: «Sie sollen uns hier lassen, dann zahlen wir für alles, für Wasser und Strom. Aber sie sollen das alles für uns reparieren». Und während er auf die Kräne und die im Bau befindlichen Wohnungen auf der anderen Straßenseite blickt, hält er mit Kritik nicht hinterm Berg, «Jetzt, wo wir Nachbarn bekommen, erinnern sie sich an uns. Unser ganzes Leben lang wurden wir vergessen, und jetzt kümmern sie sich wirklich«, schmunzelt er.

Haus oder Hütte

Auch vor der Schule wird an diesem Morgen «das Thema» diskutiert. «Ja, bitte, sofortige Umsiedlung. Ich will eine anständige Wohnung», sagt eine Frau. Eine andere antwortet: «Also, ich will nicht weg». Und die erste springt auf: «Das liegt daran, dass du viel Geld hast».

Das Ehepaar María Dolores Campo und Francisco Rufino Cortés spricht über die Ungleichheiten im Viertel, denn auch in Los Asperones gibt es Familien, die in kleinen Häusern leben, und andere, wie ihre, die nur eine zusammengeschusterte Hütte haben. Ohne Bad, ohne Waschbecken, ohne Waschmaschine... Campo sagt: «Wir sind hierher gekommen, weil wir nirgendwo anders hinkonnten, wenn sie uns also von hier wegbringen, sind wir glücklich. Hier gibt es nicht anderes als Ungeziefer und Ratten. Wir könnten auch eine niedrige Miete zahlen. Wir haben es satt, hier wie Tiere zu leben... Deshalb sind die Leute am Ende genervt, deshalb die Gewaltausbrüche, die es manchmal gibt...« Und ihr Mann fügt hinzu: »Wir werden nass, wenn es regnet, und manchmal gehen wir nach Vialia (Einkaufszentrum, Anm.d.Red.) zum Schlafen. Diejenigen, die ein schönes Haus haben, können es etwas länger aushalten, aber in einer Hütte... Wir können uns nicht einmal an unseren Enkeln erfreuen, denn sie können nicht kommen, um das Wochenende bei uns zu verbringen, weil sie sich nirgendwo waschen können.»

Antonio Ricardo Vargas ist über 50 Jahre alt und hat ebenfalls die Nase voll vom Leben in diesem Viertel: «Das hier ist kein Leben. Ich bekomme die Grundsicherung, hatte Glück, denn jetzt nehmen sie mich ja nirgendwo mehr. Als ich 25 war, habe ich gearbeitet. Pedro Sánchez sollte uns eine Wohnung geben und wer bleiben will, soll bleiben. Ich bin schon seit 40 Jahren hier. Ich habe genug.»

Antonio Ricardo Vargas und Miguel Marín wollen Los Asperones unbedingt verlassen. Marilú Báez

«Das hier ist kein Leben. Pedro Sánchez sollte uns eine Wohnung geben und wer bleiben will, soll bleiben».

Luisa Santiago, 17, hat das Viertel in ihren Gedanken bereits verlassen. Für sie steht fest, dass sie nicht in Los Asperones bleiben wird. Es spiele keine Rolle, ob es eine Umquartierung gebe oder nicht. Die ersten Schritte für einen Wegzug hat sie bereits getan: Für ihre Ausbildung als Krankenschwester wird Santiago in der Residencia Andalucía in El Atabal wohnen. «Hier könnte ich ja noch nicht einmal lernen», sagt sie. Sie könne sich nirgendwo zurückziehen, sich konzentrieren. «Mein künftiges Leben ist nicht mehr hier, und ich hoffe, dass das für die Hälfte der Kinder auch so sein wird.« Sie habe auch außerhalb des Armenviertels gelebt und auch wenn die Menschen an sich gleich seien, gebe es eben doch Unterschiede: »Man sieht es an der Art, wie wir leben, sogar an der Art, wie wir einkaufen. Für diejenigen von uns, die hier geboren sind, ist es wohl nicht so schlimm. Man muss sich anpassen. Aber wenn jemand, der es gewohnt ist, anderswo zu leben, hierher kommen muss... puh», meint sie.

Ratten in Steckdosen

Eine junge Frau, die gerade ihr Kind in den Kindergarten bringt, muss nicht lange überlegen: «Das Viertel ist voll von Ratten, die sogar aus den Steckdosen kommen. Das ist kein Leben für Kinder. Sobald sie mir sagen, dass ich Los Asperones verlassen muss, bin ich weg.«

Auch ein anderes junges Paar, Custodio Fernández und Saray Escobedo, will wegen ihrer beiden Kinder im Alter von zwei und sechs Jahren wegziehen: «Damit sie ein neues Umfeld haben, damit sie nicht hier aufwachsen. In anderen Vierteln gibt es sicher nicht so viele Drogen und so viele schlechte Angewohnheiten». Wie das neue Haus am liebsten aussehen sollte? Das Paar wünscht er sich ein Haus mit Innenhof, um Tiere haben zu können. «Aber eine Wohnung wäre natürlich auch wunderbar. Jetzt haben die Kinder nicht einmal einen Park, in dem sie spielen können. Es gibt nichts für die Kinder», sagt Fernández. Für eine Umsiedlung stellt seine Frau eine Bedingung, die auch andere Bewohner umtreibt: «Wir wollen weg, ja, aber wir wollen nicht, dass das ganze Viertel geschlossen an einen anderen Ort verlegt wird, sonst wird es wieder so wie hier». Als Nachbarn trügen sie eh bereits ein Stigma. Escobedo: «Allein dadurch, dass gesagt wird, dass wir hier wohnen, denken die Menschen doch schon, dass wir Unruhestifter sind. Und das sind wir nicht».

Kinder aus Los Asperones auf dem Schulweg. Marilú Báez

Dieser Tage ist das Rote Kreuze in Los Asperones von Haus zu Haus gegangen, um sich zu erkundigen, wie viele Menschen in den einzelnen Häusern leben, wie viele arbeiten und auch wie der Zustand der einzelnen Häuser ist. Es bewegt sich etwas, doch die Umsiedlung wird nicht von heute auf morgen geschehen. Man erzählt sich, es könnte bis 2030 dauern. Málagas Bürgermeister, Francisco de la Torre, bestätigte erst vor einigen Tagen, dass die Umquartierung schrittweise und diskret erfolgen werde: Es werde erst darüber informiert, wenn praktisch alles vorbereitet sei.

Virtudes Cádiz fürchtet, dass sie ohne berufliche Eingliederung nicht in der Lage sein wird, die Miete zu zahlen. Marilú Báez

María Cádiz erzählt davon, dass die Bewohner von Los Asperones von allen vergessen worden seien: «Wir haben kein Licht, es gibt keine Straßenlaternen. Ich musste meine Tochter heute Morgen mit der Taschenlampe meines Handys zur U-Bahn begleiten. Wir wissen, dass wir hier keine Zukunft haben, aber vielleicht können sie unsere Häuser innen und außen reparieren, bevor sie uns rausschmeißen. Viele von ihnen stürzen ein, wenn man gegen sie schlägt». Ihre Schwester Virtudes befürchtet vor allem eins: Die Miete in der neuen Unterkunft nicht zahlen zu können. Man müsse die Menschen aus Los Asperones unbedingt in Arbeit bringen. «Ich bin erst 37, ich kann arbeiten», sagt sie.

«Man hört immer nur Schlechtes»

Aber es gibt auch diejenigen, die bleiben wollen. Zum Beispiel der 34-jährige José Moreno: «Ich wohne lieber hier in meiner Straße, in Los Asperones, als beispielsweise in Capuchinos». Er sieht sich einfach nicht in einer Wohnung in diesen Siedlungen. «Aus Los Asperones hört man immer nur Schlechtes, aber ich bin 34 Jahre alt und zahle schon seit 13 Jahren in die Sozialversicherung ein. Meine Frau auch. Meine Schwester arbeitet seit 20 Jahren als Reinigungskraft in der Schule. Ich war Kellner, ich habe Süßigkeiten hergestellt, ich war auf dem Bau, ich bin Gärtner und ich habe im Rathaus von Fuengirola gearbeitet. Jetzt bin ich bei Primor und verdiene 1.300 Euro. Ich weiß nicht, warum die Leute uns nicht als die hart arbeitenden Menschen sehen, die viele von uns sind. Ich weiß auch nicht, warum sie mir bei der Arbeit sagen, dass das Leben in Los Asperones nicht zu mir passt«, sagt er.

«Hier sind Integration und Begleitung vonnöten»

Patxi Velasco ist Direktor an der Schule María de la O in Los Asperones, aber er ist viel mehr als das. Er ist eine Person, an die sich das ganze Viertel wendet. Als die 17-jährige Luisa Santiago mit SUR spricht, ist sie auf dem Weg zu ihm, um ihn um Schulhefte für das neue Schuljahr zu bitten. Velasco ist eine respektierte Stimme, eine autorisierte Stimme, wenn es um die Zukunft der Bewohner dort geht. Weil er das Viertel so gut kennt.

Er bezeichnet das, was in diesem Stadtteil geschieht, als «Ghettoisierung» und «Abspaltung» und sagt, dass die Stadt den Bewohnern von Los Asperones etwas schulde. Sie seien Ende der 1980er Jahre dorthin umgesiedelt worden, in ein Gebiet, in dem es nur Autofriedhöfe, Müllhalden, Friedhöfe und Schrott gab. Die Anwohner seien stigmatisiert, ihr Selbstwertgefühl angekratzt. Jetzt, sagt Velasco, sei «eine Menge Integration und Begleitung vonnöten», damit die Bewohner wirklich Teil der Stadt würden.

Velasco fordert: «Wir müssen die soziale und berufliche Integration vorantreiben und uns auch um die Gesundheit kümmern, denn hier gibt es viele psychische Probleme. Die meisten Bewohner wollen hier weg, aber nicht einfach irgendwohin.»

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