Sánchez rettet Spaniens Regierung mit Anti-Korruptionsplan vor dem Aus
Spaniens sozialistischer Premier nach Korruptionsskandal: «Ich habe überlegt zurückzutreten, aber aufgeben ist keine Option»
Manuel Meyer
Madrid
Mittwoch, 9. Juli 2025
Nach den jüngsten Korruptions- und Schmiergeldskandalen in seiner Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) musste sich Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez am heutigen Mittwoch im Parlament einer schweren Prüfung unterziehen. Wie erwartet forderten Spaniens konservativer Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo (PP) und Santiago Abascal von der rechtspopulistischen Vox seinen Rücktritt und Neuwahlen.
«Ich habe diese Optionen selbst erwogen. Aber mir wurde klar, dass Aufgeben keine Option ist. Ich werde weitermachen, weil ich ein sauberer Politiker bin, der sich der Korruption nicht bewusst war», erklärte Sánchez im Abgeordnetenhaus.
Im jüngsten Korruptions- und Schmiergeldskandal geht es um bisherigen Organisationssekretär der Sozialisten Santos Cerdán. Der 56-Jährige war einer von Sánchez engsten Vertrauten, seine rechte Hand, der sogar für die wichtigen Verhandlungen mit Kataloniens Separatisten zuständig war. Vergangene Woche kam Cerdán wegen des Verdachts der Bestechung und Schmiergeldzahlungen, die auch Sánchez ehemaligen Transportminister José Luis Ábalos belasten, in Untersuchungshaft.
Jahrelang soll er bei öffentlichen Bauaufträgen die Hand aufgehalten haben. Die Rede ist von 620.000 Euro. Cerdán hatte sich bei einer der begünstigten Firmen in Navarra sogar mit Aktien eingekauft, um doppelt abzukassieren. Und jetzt wurden auch noch Gespräche bekannt, in denen sich Cerdán sowie weitere Komplizen gegenseitig Prostituierte empfahlen. Auf dem Kongress der Parteispitzen beschlossen die Sozialisten am Wochenende deshalb den sofortigen Ausschluss von Mitgliedern, welche die Dienste von Prostituierten in Anspruch nehmen.
«Ich bin enttäuscht, vor allem von mir selbst», weil er die illegalen Machenschaften von Santos Cerdán nicht erahnt habe. «Aber ich war überzeugt, dass Santos ein integrer Mensch ist, der sich der sozialistischen Sache verpflichtet fühlte. Ich glaubte ihm, weil ich sein einfaches Leben in Madrid und Navarra kannte. Jetzt ist mir klar, dass ich mich geirrt habe und deshalb strebe ich danach, das Vertrauen dieser Gruppen zurückzugewinnen und das Misstrauen der Bürger zu zerstreuen», erklärte Sánchez zu Beginn der Parlamentsdebatte.
Spaniens Premier wusste aber nur zu gut, dass er sich bei der Parlamentssitzung am Mittwoch nicht hinter leeren Floskeln verstecken konnte, um die noch bis 2027 laufende Legislatur zu retten. Er wusste auch, dass er nicht die konservativen und rechten Oppositionsparteien, sondern die Parlamentsgruppen überzeugen musste, die seine nur schwache Minderheitsregierung stützen. Allen voran den linken Koalitionspartner von Sumar. Aber auch die baskischen Nationalisten der PNV und die beiden katalanischen Separatistenparteien ERC und Junts.
15-Punkte-Plan
Um die Gemüter zu beruhigen, stellte Sánchez einen 15-Punkte Antikorruptionsplan vor, in dessen Zentrum die Einrichtung einer staatlichen, aber politisch unabhängigen Anti-Korruptionsbehörde steht. Zudem sollen mehr auf Korruption spezialisierte Richter angestellt und die bereits existierende Antikorruptionsstaatsanwaltschaft und die auf Wirtschaftskriminalität spezialisierte Polizeieinheit UCO personell gestärkt werden.
Sánchez kündigte den Einsatz einer auf künstliche Intelligenz basierende Kontrollplattform an, um bei der Vergabe öffentlicher Aufträge an Privatunternehmen anomale Muster zu erkennen. «Wir werden Unternehmen verpflichten, Antikorruptionssysteme einzuführen», so Sánchez. Doch auch die Kontrolle politischer Parteien soll verstärkt werden, indem sich alle politischen Formationen dazu verpflichten, sich externen und unabhängigen Prüfungen zu unterstellen.
Vor wenigen Tagen beschloss die Parteiführung der Sozialisten als Reaktion auf den Santos-Skandal, regelmäßig und allegorisch die Finanzen ihrer führenden Parteimitglieder prüfen zu lassen. Man werde die Verjährungsfristen für Schmiergeld- und Korruptionsverbrechen verdoppeln, die Bußgelder für Unternehmen erhöhen und ein Ausschlusssystem und schwarze Listen einführen, um korrupte Unternehmen daran zu hindern, weiterhin staatliche Aufträge erhalten zu können, so Sánchez.
Damit scheint Sánchez die Parlamentsfraktionen, die seine Minderheitsregierung stützen, zunächst beruhigt haben, zumal die Anti-Korruptionsmaßnahmen im Vorfeld mit den Parteien ausgehandelt wurden. Spaniens linke Vizepräsidentin und Sumar-Chefin Yolanda Díaz sprach Sánchez ihr Vertrauen aus.
Neuwahlen und der wahrscheinliche Sieg der Konservativen, die versuchen könnten, mit Unterstützung der Rechtspopulisten zu regieren, interessieren vor allem die separatistischen Parteien aus Katalonien nicht, erklärt der spanische Politologe Pablo Simón. «Sie wissen, dass eine rechtskonservative Regierung ihnen die Amnestiegesetze sowie die erweiterten Unabhängigkeitsrechte wieder versuchen würde zu nehmen, die ihnen Sánchez für die Unterstützung seiner Minderheitsregierung gab», so Pablo Simón.
Kein Misstrauensantrag
So lehnten bereits vergangene Woche sowohl die baskische PNV als auch die katalanischen Nationalisten von Junts und ERC die Anfrage von Oppositionsführer Feijóo ab, ob sie einen Misstrauensantrag gegen Sánchez unterstützen würden. Dabei ließ sich Feijóo am Wochenende auf einem Parteitag seiner Konservativen mit 99 Prozent der Stimmen schon mal erneut zum Spitzenkandidaten für mögliche Neuwahlen wählen und holte sich mit dem bisherigen Fraktionssprecher Miguel Tellado einen seiner engsten Vertrauten als neuen Generalsekretär der Partei an seine Seite.
Doch Gabriel Rufián, Fraktionssprecher der separatistischen ERC aus Katalonien, warnte Sánchez: «Wenn die Lage eskaliert, werden wir Sie zwingen, das Volk entscheiden zu lassen.» PNV-Sprecherin Maribel Vaquero erklärte, das Vertrauen der baskischen Nationalisten befände sich Sánchez gegenüber «derzeit in der Notaufnahme». Dennoch forderten weder die PNV noch Junts Sánchez Rücktritt. Sogar Mertxe Aizpurua, Sprecherin der baskischen Separatisten von EH Bildu, stellte klar, «wir sind nicht hier, um diese Regierung zu stürzen, verlangen aber einen tiefgreifenden Wandel». Die PSOE müsse «die Korruption in ihrer Partei beseitigen und entschlossene Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass sich diese Machenschaften weder in ihrer Partei noch in der Regierung ausbreiten.»
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