Das stille Verschwinden der Orangenhaine im Hinterland der Provinz Málaga – Ursachen und Folgen
Orangen waren jahrzehntelang ein Symbol Andalusiens. Doch Klimawandel, Globalisierung und Strukturwandel bedrohen die Haine auch in der Provinz Málaga
Emilia Hubert
Málaga
Donnerstag, 23. Oktober 2025
Wer an Andalusien denkt, hat oft ein Bild von endlosen Orangen- und Zitronenhainen vor Augen. Doch dieser Anblick wird zunehmend seltener. Besonders in der Provinz Málaga, aber auch in anderen Teilen Andalusiens, verschwinden viele der kleinen Orangenplantagen, die lange Zeit fester Bestandteil der Kulturlandschaft waren. Das leise, aber stetige Verschwinden hat verschiedene Ursachen und bringt weitreichende Folgen für Landwirtschaft, Landschaftsbild und lokale Wirtschaft mit sich.
Warum die Orangenhaine verschwinden
Ein Hauptgrund liegt in der wirtschaftlichen Entwicklung der Region. Wo früher Orangenbäume standen, entstehen heute vielfach Ferienhäuser, Apartments oder neue Straßen. Der Bodenwert ist in Küstennähe so stark gestiegen, dass der Verkauf des Landes oft lukrativer ist als der Erhalt der Bewirtschaftung. Nach Angaben der andalusischen Landwirtschaftsbehörden ist die Fläche für Zitrusfrüchte in der Provinz Málaga in den letzten 20 Jahren um fast ein Drittel zurückgegangen.
Hinzu kommt der Klimawandel. Heiße, trockene Sommer und unregelmäßige Niederschläge setzen den Bäumen stark zu. Zwar sind Orangenbäume robust, doch die längeren Dürreperioden erhöhen den Bewässerungsaufwand erheblich. Früher wurden die Haine von Zeit zu Zeit geflutet, aber die zunehmende Wasserkanppheit verbietet derartige Bewásserungsformen heute. Gerade kleinere Betriebe, die nicht über moderne Tropfbewässerungssysteme verfügen, geraten dadurch in Bedrängnis.
Schädlinge und Befall
Auch krankheitsbedingte Verluste spielen eine Rolle. Schädlinge wie die aus Amerika eingeschleppte Zitrus-Miniermotte oder Pilzkrankheiten führen zu Ernteausfällen. Für viele kleine Landwirte lohnt es sich kaum, die notwendigen Investitionen in Pflanzenschutz oder neue Setzlinge zu tätigen.
Ein weiterer Aspekt ist der Generationenwechsel. Viele jüngere Familienmitglieder möchten nicht mehr die harte Arbeit in der Landwirtschaft übernehmen. Sie suchen Berufe im Tourismus, in den Städten oder im Ausland. Zurück bleiben ältere Besitzer, die ihre Haine irgendwann aufgeben müssen.
Folgen für Landschaft und Gesellschaft
Das Verschwinden der Orangenhaine ist nicht nur ein wirtschaftliches Thema, sondern auch ein kulturelles. Orangenbäume prägen seit Jahrhunderten das Bild Südspaniens. Ob in den Gärten der Alhambra, auf den Plätzen von Córdoba oder in den kleinen Dörfern der Axarquía, der Duft der Orangenblüten im Frühjahr gehörte zum Selbstverständnis Andalusiens. Mit dem Rückgang der Anbauflächen geht ein Stück dieses kulturellen Erbes verloren.
Ökologisch gesehen hat der Wandel ebenfalls Auswirkungen. Orangenhaine bieten Lebensraum für Vögel, Insekten und andere Tiere. Wenn die Flächen aufgegeben oder bebaut werden, verschwinden diese Rückzugsräume. Gleichzeitig steigt durch die Umwandlung in Bauflächen der Druck auf die ohnehin knappen Wasserressourcen, da Neubauten ebenfalls hohe Mengen verbrauchen.
Auch die lokale Wirtschaft ist betroffen. Orangen waren zwar nie das einzige Exportprodukt Andalusiens. Olivenöl, Avocados und Mangos sind inzwischen bedeutender, doch sie hatten ihren festen Platz auf Märkten und in der regionalen Versorgung. In den 1990er-Jahren galten Orangen und Mandarinen aus Málaga noch als wichtiges Standbein der Landwirtschaft. Heute machen Zitrusfrüchte weniger als zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in der Provinz aus. Außerdem lohnt der Rückgang der Erzeugerpreise kaum noch die Ernte der Bäume. Damit gehen nicht nur Einkommen verloren, sondern auch traditionelles Wissen im Anbau und in der Pflege der Bäume.
Gibt es Hoffnung für die Orangen?
Ganz verschwinden werden die Orangen aus Andalusien nicht. Neben der autonomen Region Valencia bleibt der großflächige Anbau auch in der Provinz Huelva weiterhin stabil. Und auch in Málaga gibt es noch Genossenschaften, die Orangen für den regionalen Markt produzieren. Doch der Trend zeigt klar, dass kleinere Haine in Küstennähe am stärksten gefährdet sind.
Einige Betriebe versuchen gegenzusteuern und setzen auf Bio-Anbau und Direktvertrieb, um höhere Preise zu erzielen. Andere kombinieren den Anbau mit Agrotourismus, etwa durch Führungen oder das Angebot von Orangenblütenhonig und hausgemachter Marmelade. Auch regionale Initiativen zur Effizienzsteigerung der Bewässerung geben Hoffnung.
Doch langfristig wird entscheidend sein, ob die Wasserressourcen besser genutzt und verteilt werden können und ob jüngere Generationen bereit sind, den Anbau fortzuführen. Ohne strukturelle Unterstützung durch Förderprogramme droht sich das Bild vieler Regionen weiter zu verändern. Weg von den traditionellen Orangenhainen hin zu Avocado- und Mango-Plantagen, die derzeit höhere Gewinne versprechen.
Das Verschwinden der Orangenhaine vollzieht sich leise. Keine Schlagzeilen, keine großen Proteste. Und doch verändert es das Gesicht Andalusiens tiefgreifend. Für viele Einheimische ist der Anblick von blühenden Orangenbäumen längst nicht mehr selbstverständlich. Wer im Frühjahr durch die Dörfer geht, bemerkt, dass der süßliche Duft schwächer geworden ist.
Damit stellt sich die Frage, wie viel Tradition möchte man erhalten und welchen Preis ist man bereit dafür zu zahlen? Die Antwort wird entscheiden, ob Andalusiens Orangenhaine eine Zukunft haben oder nur noch eine Erinnerung sind.