«Menas-Erasmus»: Marokkanische Eltern lassen ihre Kinder in Málaga zurück und hoffen auf behördlichen Schutz für sie
Die Staatsanwaltschaft entdeckt in der Provinz ein halbes Dutzend Fälle von Familien, die als Touristen einreisen und ohne ihre Kinder zurückkehren, damit die Junta die Vormundschaft für sie übernimmt
Juan Cano
Málaga
Donnerstag, 13. November 2025
Das Phänomen ist bei der Polizei als «Menas-Erasmus» bekannt, was sich aus der Abkürzung für unbegleitete Minderjährige (menores no acompañados, kurz menas) und dem Stipendienprogramm der Europäischen Union für ein Auslandsstudienjahr zusammensetzt. Es geht um afrikanische Familien, in erster Linie aus Marokko, die als Touristen nach Spanien einreisen, aber ohne ihre Kinder in die Heimat zurückkehren. Sie lassen sie offenbar in der Hoffnung zurück, dass sie vom spanischen Schutzsystem aufgenommen werden.
Sicherheitskräfte, Sozialdienste und die Staatsanwaltschaft für Minderjährige warnen vor einer deutlichen Zunahme dieses Phänomens, das nicht nur in der Provinz oder in Andalusien vorkäme. Zahlreiche Fälle seien auch in Madrid, Valencia, auf den Balearen und im Baskenland gemeldet worden. In Katalonien wurde sogar ein Netz zur Organisation dieser Reisen zerschlagen.
In Málaga wurden bislang ein halbes Dutzend Fälle zurückgelassener marokkanischer Minderjähriger gemeldet. Erst letzte Woche waren zwei Fälle bekannt worden. In einem Fall handelte es sich um einen Jugendlichen, der angab, er sei aus Frankreich gekommen. Dorthin sei er mit seinen Eltern geflogen, sei aber nun allein in Spanien.
Der andere Fall ereignete sich im Justizgebäude von Málaga. Eine Frau hatte dort einige Formalitäten erledigt und dann ihren Sohn dort mit einem Koffer zurückgelassen. Nachdem sie von der Staatsanwaltschaft telefonisch gewarnt worden war, dass sie eine Straftat des Aussetzens begehen könnte, kehrte sie mehrere Stunden später zurück, um ihren Sohn abzuholen.
Die meisten dieser Familien sind marokkanischer Herkunft und in geringerem Maße auch aus Algerien, Senegal und Gambia. Sie reisen legal mit einem Touristen- oder Studienvisum nach Spanien ein, und sobald sie hier sind, trennen sich die Eltern von ihren Kindern. Diese müssen dann unter die Vormundschaft spanischer öffentlicher Einrichtungen gestellt und vom Schutzsystem aufgenommen werden.
Das «Menas»-Phänomen hatte schon vor Jahren mit Minderjährigen aus ländlichen Gebieten Marokkos und aus sehr benachteiligten Verhältnissen begonnen, die es nach Spanien schafften, indem sie sich in den Laderäumen von Fähren, in kleinen Booten oder auf den Fahrgestellen von Lastwagen versteckten.
Der Fall der «Menas-Erasmus» ist neu und anders. Sie reisen mit dem Flugzeug ein. «Die Eltern zeigen ihnen die Stadt und erklären, wo die Polizeistationen und Orte sind, die sie aufsuchen sollten», so eine Polizeiquelle.
Sowohl die spanischen wie die EU-Rechtsvorschriften verpflichten die Behörden zum Schutz von Minderjährigen. Die «Menas» aus Nordafrika kommen aus Familien, die sich in Europa bessere Bildungs- und Lebenschancen für ihre Kinder versprechen. Die spanischen Behörden gehen jedoch davon aus, dass es sich auch um durchaus gut situierte Familien aus dem Mittelstand handelt.
Das spanische Schutzsystem garantiert den zurückgelassenen Jugendlichen Gesundheitsversorgung, Bildung und die Möglichkeit, eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, wenn sie volljährig sind. Sie können die spanische Staatsangehörigkeit beantragen und haben sogar die Möglichkeit, ihre Eltern und Geschwister im Rahmen der Familienzusammenführung nachzuholen, sobald sie 18 Jahre alt sind.
Unter den Fällen, die in den letzten Monaten in Málaga untersucht wurden, war auch der einer Minderjährigen, die von der Polizei auf der Straße aufgegriffen wurde. Auf die Frage, warum sie allein sei und wohin sie wolle, antwortete sie, dass sie auf dem Weg zur Polizeistation der Provinz sei, und gestand schließlich, dass sie mit ihren Eltern auf einer Urlaubsreise nach Málaga gekommen sei und nicht wisse, wo diese seien. Sie sagte, dass sie eine akademische Ausbildung machen wolle. Andere wiederum können kein Wort Spanisch, bringen aber ein Stück Papier mit, auf dem der Satz steht: «Ich bin ein unbegleiteter Minderjähriger. Helfen Sie mir».
Auf dem Polizeirevier werden die Jugendlichen registriert und ein Bericht für die Staatsanwaltschaft erstellt, die ein Verfahren zur Aussetzung einleitet und das sogenannte «Mena-Protokoll» anwendet, das die Einweisung in ein Jugendschutzzentrum der andalusischen Regionalregierung in Gang setzt. Von diesem Moment an übernimmt die autonome Regierung die Vormundschaft für sie. «Sie wird quasi zu ihren Eltern», fasst eine Justizquelle zusammen und zählt die Leistungen auf, zu denen sie Zugang haben: «Nahrung, Bildung, Kleidung, Gesundheitsversorgung in vollem Umfang...».
Die Situation, so die Quellen, sei eindeutig ungerecht. «Damit ein Minderjähriger in den Schutz aufgenommen werden kann, muss eine Bewertung durchgeführt werden, die Familie wird untersucht, ihr Umfeld.... Im 'Mena-Protokoll' wird der Platz direkt zugewiesen.»
«Die Ankunft von Minderjährigen, deren materielle Bedürfnisse gedeckt sind, belastet die öffentlichen Mittel, die eigentlich für den Schutz gefährdeter Minderjähriger bestimmt sind. Sie nehmen Plätze in Schutzzentren in Anspruch und verursachen eine größere Belastung für Bildung und Gesundheit. Diese Situation kann als missbräuchliche Nutzung der Garantien für wirklich schutzbedürftige Minderjährige angesehen werden», fasst eine Polizeiquelle zusammen.
Im Baskenland, einer der am stärksten betroffenen Regionen, hat die dortige Polizei bereits ein halbes Dutzend Eltern verhaftet, die ihre Kinder dort «ausgesetzt» haben, um die Vorteile des spanischen Schutzsystems zu nutzen.
Ende Oktober zerschlug die Nationalpolizei im katalanischen Tarragona ein Netzwerk von ausländischen Familien, deren Ziel es war, ihre Kinder als unbegleitete Minderjährige unter den Schutz der spanischen Behörden zu bringen. Die in Katalonien durchgeführte Untersuchung bezifferte den Betrug allein bei der Sozialversicherung auf 1.589.747 Euro.
Bei dieser Aktion, die zu 30 Verhaftungen führte, identifizierten die Beamten zwei Familienprofile. Zum einen gab es Eltern mit mittlerer Kaufkraft, die ihre Kinder in Spanien zurückließen und in ihr Land zurückkehrten, obwohl sie ihre Kinder anschließend regelmäßig besuchten. Andererseits untersuchten sie Familien mit geringeren wirtschaftlichen Ressourcen, die in Spanien blieben und telefonischen Kontakt mit ihren Kindern hielten.