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Auf einigen Dorfmärkten kann man lokale Produkte direkt von den Erzeugern kaufen. Unsplash
Essen und Trinken

Vom Campo in den Kochtopf: Wie die Costa del Sol ihre kulinarischen Wurzeln wiederentdeckt

Köche, Landwirte und Fischer setzen auf Regionalität, kurze Wege und traditionelle Sorten. So entsteht eine Küche, die Geschichte erzählt

Emilia Hubert

Málaga

Samstag, 11. Oktober 2025

Wer an die Costa del Sol denkt, sieht oft zuerst das tiefblaue Meer, den feinen Sand und die langen Promenaden vor sich. Doch nur wenige Kilometer landeinwärts, im sogenannten Campo, beginnt eine andere Welt: silbrige Olivenhaine, Weinberge, Avocado-Plantagen und Felder mit saisonalem Gemüse prägen hier das Bild. Diese Landschaft ist nicht nur ein Postkartenmotiv, sie ist auch Ursprung zahlreicher Zutaten, die in den Küchen der Region verarbeitet werden.

Lange Zeit galten importierte Waren als modern, der Griff zu Produkten aus Übersee war selbstverständlich. Heute jedoch setzen immer mehr Gastronomen, Produzenten und Initiativen wieder auf das, was vor der eigenen Haustür wächst und gefangen wird. Frische, Saisonalität und kurze Transportwege sind keine Marketingfloskeln, sondern bewusst gelebte Praxis. Dahinter steckt ein klares Ziel. Höchste Qualität und Geschmack, faire Preise für Erzeuger und eine Küche, die ihre regionale Identität bewahrt.

Immer häufiger stößt man in Restaurants an der Küste auf den Hinweis „Km 0«. Er verspricht, dass die Zutaten aus der unmittelbaren Umgebung stammen. In Marbella etwa kombinieren renommierte Köche internationale Techniken mit regionalen Produkten. Ein Ziegenkäse aus der Axarquía kann so Teil eines asiatisch inspirierten Gerichts werden. Nicht alles wächst direkt in der Provinz, doch der Anteil lokaler Zutaten steigt spürbar. Fisch aus den Häfen von Fuengirola und Caleta de Vélez, knackiges Gemüse aus den fruchtbaren Tälern rund um Coín oder Wein aus autochthonen Rebsorten sind nur einige Beispiele. Die Bewegung knüpft an die internationale Slow-Food-Idee an, die seit den 1980er-Jahren für „gut, sauber und fair« steht. Gut im Geschmack, sauber in der Herstellung, fair für alle Beteiligten.

Frische vom Meer, Vielfalt vom Land

Ein Paradebeispiel für gelebte Regionalität ist das Restaurant Los Marinos José in Fuengirola. Aus einem kleinen Chiringuito in Familienbesitz hat sich eine der bekanntesten Adressen für Meeresfrüchte in Spanien entwickelt. Die Inhaber kaufen ihren Fisch morgens direkt auf der Auktion, oft von den eigenen Booten und servieren ihn wenige Stunden später. Gegrillt mit Olivenöl und Meersalz, als Muscheln in Weißwein oder Garnelen frisch vom Grill. Die bewusste Schlichtheit in der Zubereitung lässt den Eigengeschmack im Vordergrund stehen und brachte dem Lokal wiederholt den Titel „Bestes informelles Restaurant Europas« in der Gastronomieliste Opinionated About Dining.

Doch der Trend zur Regionalität ist nicht auf die Spitzengastronomie beschränkt. In vielen Dörfern der Costa del Sol sind Wochenmärkte fester Bestandteil des Lebens. Auf den Plätzen von Riogordo, Torrox oder Frigiliana reihen sich farbenfrohe Stände aneinander, beladen mit Tomaten, Oliven, Käse und frisch gefangenem Fisch. Zwischen den Ständen duftet es nach frisch gebackenem Brot, Kräutern und geräuchertem Paprika. Landwirte und Fischer verkaufen hier direkt an Kunden und Gastronomen, ohne Zwischenhändler. Einige von ihnen gehören zur Slow-Food-Bewegung, verpflichten sich zum Erhalt alter Sorten, arbeiten umweltschonend und setzen auf faire Preise.

Bei der Feria del Marisco in Benalmádena. SUR

In der Axarquía presst die Kooperative Aceitunera de Periana Olivenöl aus der heimischen Hojiblanca-Olive, deren milder, fruchtiger Geschmack Kenner begeistert. In Cómpeta keltert Bodegas Almijara den berühmten süßen Muskateller-Wein, der seit Generationen zur Kultur des Dorfes gehört. Westlich von Málaga, in Manilva, pflegen Familienbetriebe wie Nilva Enoturismo die dort typischen Muskateller-Reben und verbinden Weinproduktion mit Verkostungen und kleinen kulinarischen Events. In Estepona liefert das Projekt Huerta del Rosario Gemüse aus Permakultur direkt an ausgewählte Restaurants. Ein Modell, das kurze Wege und höchste Frische garantiert.

Während manche Betriebe bewusst auf die Versorgung der lokalen Märkte setzen, beliefern andere ganz Europa. Das Unternehmen Somos Bio in Málaga verschickt Bio-Avocados, Mangos und Papayas aus andalusischem Anbau bis nach Skandinavien. Ein Beweis für die Fruchtbarkeit der Region und zugleich ein Hinweis darauf, dass nicht alle Spitzenprodukte vor Ort bleiben. Für Gastronomen bedeutet das, rechtzeitig genügend dieser Qualität zu sichern, um Gästen ein authentisches Geschmackserlebnis bieten zu können.

Kulinarische Tradition als Zukunftschance

Die enge Verbindung zwischen Region und Küche zeigt sich auch in den zahlreichen kulinarischen Festen der Costa del Sol. Die 'Feria del Marisco' in Benalmádena lockt jedes Jahr Tausende Besucher an, die Meeresfrüchte frisch aus der Pfanne probieren, zubereitet von Betrieben aus der Umgebung. In Torremolinos feiern die 'Jornadas del Marisco' die Vielfalt der andalusischen Fischerei, während in Álora die Olive, in Cútar der Wein und in Coín traditionelle Gerichte wie der 'Potaje de Tagarninas' im Mittelpunkt stehen. Solche Veranstaltungen sind weit mehr als Volksfeste: Sie bringen Produzenten, Köche und Gäste zusammen, fördern den Austausch und machen die kulturelle Bedeutung der Produkte erlebbar.

Für viele junge Gastronomen ist die Rückkehr zu lokalen Zutaten nicht nur eine Frage der Überzeugung, sondern auch ein Wettbewerbsvorteil. Gäste aus dem In- und Ausland suchen Authentizität und die beginnt auf dem Feld, im Weinberg oder im Hafen. Eine Dorftomate aus Vélez-Málaga, die morgens geerntet und mittags serviert wird, erzählt mehr über die Region als jeder Werbeprospekt.

Der Trend zu regionalen Lebensmitteln an der Costa del Sol ist deshalb keine Modeerscheinung. Er steht für wachsende Umwelt- und Gesundheitsbewusstheit, für den Wunsch nach ehrlichem Geschmack und für die wirtschaftliche Stärkung der Region. Die Rückkehr zu Produkten aus dem Campo und den Häfen ist zugleich eine Rückkehr zu dem, was die Küche hier seit Jahrhunderten prägt. Einfachheit, Frische und die enge Verbindung zwischen Land, Meer und Menschen. Ob im Sterne-Restaurant in Marbella, auf dem Markt in Torrox oder im kleinen Chiringuito am Strand, der wahre Geschmack der Costa del Sol entsteht dort, wo Produzenten und Köche Hand in Hand arbeiten.

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