Spaniens Regierung will Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankern
Die Konservativen versuchen ständig, das im Jahr 2010 von den Sozialisten liberalisierte Abtreibungsgesetz wieder zu verschärfen
MANUEL MEYER
MADRID.
Dienstag, 14. Oktober 2025
Die sozialistische Regierung will in Spanien das Recht auf Abtreibung in der Verfassung verankern. Auslöser für den Vorstoß von Ministerpräsident Pedro Sánchez sind die jüngsten Versuche der konservativen Volkspartei (PP) und der rechtspopulistischen Vox, das von den Sozialisten liberalisierte spanische Abtreibungsrecht zu untergraben.
Am Dienstag einigten sich die Sozialisten mit ihrem Koalitionspartner der linken Sumar auf einen Reformtext des Artikels 43 der spanischen Verfassung. Demnach soll ein Schwangerschaftsabbruch ein Grundrecht werden, das zudem von den öffentlichen Kliniken garantiert ist, kündigten die sozialistische Gleichstellungsministerin Ana Redondo und Gesundheitsministerin Mónica García von Sumar an.
Die Listen von Ärzten, die aus Gewissensgründen keine Abtreibungen vornehmen wollen, sind eigentlich schon rechtsbindend, würden aber in den Regionen Madrid, Aragonien und den Balearischen Inseln von den dort regierenden Konservativen boykottiert werden, um Schwangerschaftsabbrüche zu erschweren, heißt es aus Regierungskreisen. Man gab den erwähnten Regionalregierungen drei Monate Zeit, die Listen zu erstellen, ansonsten wolle man sie vor Gericht verklagen.
Dies ist aber nicht der einzige Konfliktpunkt: Die Konservativen und Vox verabschiedeten im Madrider Stadtrat sogar einen Gesetzentwurf, der Gesundheitszentren in der von den Konservativen regierten Hauptstadtregion verpflichtet, abtreibungswillige Frauen vor dem Eingriff über ein angebliches 'Post-Abtreibungstrauma' zu warnen.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) existiert dieses Post-Abtreibungssyndrom gar nicht. Zwar könnten Frauen laut unterschiedlicher Studien gemischte oder negative Gefühle wie Trauer, Schuld oder Zweifel nach einem Schwangerschaftsabbruch verspüren. Aber eine Abtreibung führe nicht automatisch zu langfristigen psychischen Schäden oder Traumata.
Schutz vor Änderungen
Die Sozialisten und Sumar fühlen sich durch solche Ereignisse mehr als bestärkt, das Abtreibungsrecht in der Verfassung zu garantieren. Der Grund ist klar, meint Francisco Valiente: «Nur so kann das Abtreibungsrecht mit Blick auf zukünftige Regierungswechsel vor Veränderungen geschützt werden», erklärt der Professor für Verfassungsrecht an der Madrider Comillas Universität.
In den vergangenen Jahren versuchten vor allem die Konservativen immer wieder, das 2010 von den damals regierenden Sozialisten liberalisierte Abtreibungsgesetz wieder zu verschärfen. Abtreibungen wurden in Spanien bereits 1985 teilweise entkriminalisiert. 2010 verabschiedete die Regierung des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero ein neues Abtreibungsgesetz, das erstmals das Recht auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch frei und ohne Vorwand während der ersten 14 Schwangerschaftswochen regelte.
Die Indikationsregel wurde durch eine Fristenregelung abgelöst, die bereits für 16-Jährige gilt, die ohne Einverständnis ihrer Eltern eine Abtreibung durchführen lassen können. Schwangerschaftsabbrüche sind bis zur 22. Woche erlaubt, sollte die Gesundheit der Mutter in Gefahr sein oder Anomalien beim Fötus auftreten.
Die Konservativen zogen gegen die neuen Abtreibungsregeln vors Verfassungsgericht, versuchten das Gesetz während ihrer Regierungsperioden immer wieder rückgängig zu machen. Doch 2023 lehnte das Verfassungsgericht nach 13 Jahren die Beschwerde der Konservativen endgültig ab, womit die Fristenregelung für Schwangerschaftsabbrüche in Spaniens rechtens ist.
Sollten die Sozialisten nun mit ihrem Versuch erfolgreich sein, das Recht auf Abtreibung in die spanische Verfassung aufzunehmen, wäre Spanien weltweit das zweite Land mit diesem Status nach Frankreich, das bereits 2024 das Abtreibungsrecht in seine Verfassung integrierte.
Die Regierung ist zuversichtlich, die Reform im Januar dem Kongress vorlegen zu können. Die Chancen für eine Annahme stehen allerdings schlecht, weil dafür die Stimmen der Konservativen notwendig wären und Oppositionsführer Alberto Nuñez Feijóo bereits am Dienstag seine Blockade ankündigte.
Unterdessen spricht sich eine Mehrheit der spanischen Bevölkerung anscheinend für eine Aufnahme des Rechts auf Abtreibung in die Verfassung aus. Laut einer jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Metroscopia sind 60 Prozent der Frauen und 55 Prozent der befragten Männer für einen solchen Schritt.