Ehemaliger katalanischer Ministerpräsident Jordi Pujol mit 95 auf der Anklagebank
Jordi Pujol war jahrzehntelang einer der mächtigsten Politiker Spaniens. Nun droht ihm im fortgeschrittenen Alter eine lange Haftstrafe. Kommt der 95-Jährige bei einer Verurteilung aber hinter Gitter?
DPA
Madrid
Montag, 24. November 2025
Im Alter von 95 Jahren droht dem früheren katalanischen Präsidenten Jordi Pujol eine lange Haftstrafe. Vor dem Staatsgerichtshof Spaniens in Madrid hat am Montag ein Korruptionsprozess gegen Pujol, seine sieben Söhne und Töchter sowie elf weitere Personen begonnen. Den Angeklagten wird nach mehrjährigen Justizermittlungen unter anderem Geldwäsche, Bildung einer kriminellen Vereinigung und Steuerhinterziehung vorgeworfen.
Pujol regierte die wohlhabende Region Katalonien zwischen 1980 und 2003. Auch danach galt er lange als einer der mächtigsten Politiker des Landes. Er wurde wegen seines Einflusses und der engen Verbindungen zum Königshaus und zum damaligen Monarchen Juan Carlos I. «Vizekönig Spaniens» genannt.
Für ihn fordert die Staatsanwaltschaft neun Jahre Haft sowie eine Geldstrafe in Höhe von 204.000 Euro. Für seinen ältesten Sohn, den Unternehmer Jordi Pujol Ferrusola (67), will sie sogar 29 Jahre. In Spanien befreit selbst ein sehr hohes Alter nicht von einer Haftstrafe – eine Altersgrenze, ab der ein Verurteilter nicht mehr ins Gefängnis muss, gibt es nicht.
Geheime Auslandskonten stehen im Mittelpunkt
Im Verfahren geht es um die Verheimlichung eines Millionenvermögens im Ausland. Pujol soll das Geld für politische Gefälligkeiten erhalten haben. Ein Bericht der Einheit für Wirtschafts- und Steuerkriminalität der spanischen Nationalpolizei bezifferte die Einnahmen der Familie aus jahrzehntelangen korrupten Praktiken auf 290 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft fordert von der Familie die Rückzahlung der mutmaßlich unrechtmäßig erlangten Gelder.
Pujol hatte die Konten im Ausland, unter anderem im Pyrenäen-Fürstentum Andorra, schon vor Jahren eingestanden. Die Vorwürfe der Korruption und der illegalen Bereicherung weist er aber zurück. Der Ex-Politiker behauptet, das in den Ermittlungen beanstandete Vermögen stamme aus einer Erbschaft seines Vaters. Die Familie spricht von einer politisch motivierten Kampagne.
Trotz eines ärztlichen Gutachtens, das ihn nach einer Lungenentzündung für nicht verhandlungsfähig erklärte, muss Pujol im Laufe des Verfahrens aussagen, entschieden die Richter am Montag. Er wird dies per Videoschalte machen dürfen.
Der Prozess wird als «historisch» bezeichnet
Der staatliche TV-Sender bezeichnete das Verfahren als «historisch», andere Medien sprechen vom «größten Korruptionsprozess» in der Geschichte Spaniens. Die Hauptverhandlung ist auf rund sechs Monate angesetzt. Bis zum 14. Mai 2026 sollen insgesamt 254 Zeugen befragt werden.
Pujol ist eine der Schlüsselfiguren des 20. Jahrhunderts in Spanien. Er hatte dem Widerstand gegen die Diktatur von Francisco Franco (1939-1975) angehört und spielte eine wichtige Rolle beim Übergang des Landes zur Demokratie. Während seiner 23-jährigen Amtszeit sicherte er der Region Katalonien schrittweise mehr Autonomie. 2013 schloss er sich aktiv der damals aufstrebenden katalanischen Unabhängigkeitsbewegung an, die in den gescheiterten Trennungsversuch vom Herbst 2017 mündete.