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MANUEL MEYER / SUR
MADRID.
Donnerstag, 6. März 2025
Die Corona-Pandemie traf Spanien europaweit mit am härtesten – vor allem die erste Welle. Während in Deutschland erst wenige Opfer zu beklagen waren, waren Spaniens Bestattungsinstitute mit täglich bis zu 1.000-Todesopfern völlig überfordert. Besonders dramatisch, mit fast 30.000 Opfern, wütete das Virus in den Altenheimen.
Jetzt, fünf Jahre nach der Pandemie, sind die apokalyptischen Szenen aus den Köpfen der meisten Spanier verschwunden. Sie sorgen sich eher um Trump, die Kriege in Gaza und der Ukraine, um Teuerungsraten, unbezahlbarem Wohnraum oder den Flüchtlingsstrom auf den Kanarischen Inseln.
Dennoch werden die Spanier auch heute noch regelmäßig an die Corona-Pandemie erinnert – und zwar von den politischen Akteuren. «Die Pandemie ist zwar nicht der Grund für die seit Jahren zunehmende Polarisierung in der spanischen Politik. Sie verstärkt diese allerdings, weil sie immer noch dazu dient, den politischen Gegner zu diskreditieren und zu attackieren», erklärt der spanische Politologe Carlos Rico von der Pontificia Comillas Universität in Madrid.
Jüngstes Beispiel: die Covid-Opfer in Madrider Altenheimen. In einer seit Jahren laufenden Sammelklage werfen 200 Opfer-Hinterbliebe der konservativen Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso vor, 7.291 Altenheimbewohner ohne ärztliche Versorgung, ohne Angehörige und teils auch ohne irgendeine Begleitung einsam hat sterben lassen. Tatsächlich ordnete Ayuso damals an, keine infizierten Altenheimbewohner in die überfüllten Krankenhäuser bringen lassen.
Vergangene Woche stellten sich die linken Oppositionsparteien in einer Parlamentskontrollsitzung erneut hinter die Sammelkläger. Diesmal ging es um die Forderungen einer öffentlichen Entschuldigung von Ayuso. Ein Versöhnungstreffen mit den Hinterbliebenen lehnte Ayusos Regierungssprecher vergangene Woche ab: Warum sollte sie sich mit Personen treffen, die sie seit Jahren als Mörderin beschimpfen.
Ein gefundenes Fressen für die linken Oppositionsparteien. Ayuso platzte der Kragen. Sie warf ihnen vor, immer wieder «mit dem gleichen Mist» anzukommen. Damit war die Polemik serviert. Es sei bedauerlich, dass Ayuso 7.291 Tote mit «Mist» vergleicht. Ayusos Worte zeigten ihre «moralische Niedertracht, ihren Mangel an Empathie und Menschlichkeit», konterte die sozialistische Oppositionssprecherin Mar Espinar letzte Woche im Madrider Regionalparlament.
Schnell erinnerten die Sozialisten an einen weiteren Pandemie-Skandal Ayusos, der heute ebenfalls die Gerichte befasst. Sie soll im April 2020 ihrem Bruder einen Vertrag für Atemschutzmasken zugeschustert haben, an dem er 240.000 Euro verdiente. Ausreichend Material, die wohl heftigste Kritikerin des Pandemie-Krisenmanagements von Ministerpräsidenten Pedro Sánchez zu diskreditieren.
Gerade zur Anfangszeit der Pandemie hielt sich ihre Partei noch bewusst mit Kritik zurück. Niemand wusste damals, was genau zu machen war und man saß im selben Boot. Doch Ayuso ging mit den Corona-Maßnahmen der linken Zentralregierung hart ins Gericht, missachtete sie sogar. Sie ließ Bars und Restaurants wieder öffnen, lockerte teilweise die Lockdown-Maßnahmen und erklärte Madrid zur «Stadt der Freiheit». Dieser ideologisch motivierte Freiheitssinn ließ sie zur populärsten Politikerin ihrer Partei werden.
Doch auch die Konservativen bringen immer wieder Skandale aus der Corona-Pandemie ins Spiel, um die Sozialisten anzugreifen. Die regierenden Sozialisten belastet derzeit der sogenannte 'Fall Koldo'. Es geht um die angeblichen Schmiergeldzahlungen in Höhe von vier Millionen Euro für den Kauf von Gesichtsmasken während der Corona-Pandemie. Darin verwickelt ist Sánchez' ehemaliger Verkehrsminister José Luis Ábalos und dessen Vertrauter Koldo García. Gegen sie wird wegen Bestechung, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Vorteilsnahme ermittelt.
Es sind jedoch Spaniens Rechtspopulisten von Vox, welche die Corona-Pandemie politisch wohl am häufigsten nutzen, um die Linksregierung zu attackieren. Sie zogen gegen die sechsmalige Verlängerung des Notstands sogar vors Verfassungsgericht, das ihnen 2023 teilweise sogar Recht gab bei einer unverhältnismäßigen Einschränkung von Grund- und Bürgerrechten.
«Die Kritik am Fehlverhalten während der Corona-Pandemie wird heute immer noch parteistrategisch eingesetzt und führt zu Klagen vor der Justiz. Dadurch wird die Justiz wiederum politisiert und verliert zunehmend an Akzeptanz in der Bevölkerung», so Politologe Carlos Rico. Das Spiel gegenseitiger Schuldzuweisungen in Krisensituationen nähme unter Spaniens Parteien immer bedauerlichere Dimensionen an. Das habe zuletzt im November auch die Flutkatastrophe in Valencia gezeigt, wo sich die linke Zentralregierung und die konservative Regionalregierung gegenseitig die Schuld für die schlimmen Folgen der Überschwemmungen geben, bei denen 220 Menschen ums Leben kamen, so der Experte.
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